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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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einigen können.
    Die ihm von Gwendy entgegengebrachte Aufmerksamkeit irritiert ihn
etwas, aber nicht so sehr, daß er nicht wüßte, was
er davon zu halten hat. Nach einer Weile ziehen sie sich zu einem
Gespräch in eine Ecke zurück, und sie rückt immer
näher zu ihm auf. Die Ausführungen über Tapachula und
die Stelle bei TechsMex scheinen seine Attraktivität nur
noch zu erhöhen.
    Es wird dann eine sehr lange Nacht für ihn; wie sich
herausstellt, erzählt Naomi ihren Freundinnen alles, und
überdies ist Naomi das Gewissen, das er sich bei Gwendy
wünschte. Also befindet sie sich in einem Konflikt, der durch
Naomis Schilderungen vom Sex in der nächtlichen Wüste und
die Tatsache, daß Naomi den Lectrajeep noch immer nicht
akzeptiert, bedingt ist. In dieser Hinsicht ziert sie sich genauso
wie Naomi, aber als Gwendy schließlich um zwei Uhr nachts in
der Wüste nackt im Lectrajeep liegt, bietet Jesse sich die
Gelegenheit, zwei Dinge neu zu entdecken, die er fast schon vergessen
hatte – Lachen und Begeisterung.
    Zu dumm, daß er mit Tapachula Eindruck bei ihr schinden
mußte; nun muß er es auch ausführen, jetzt, wo sie
ihm einen Anreiz bieten würde, in Tucson zu bleiben.
     
    Carla Tynan hat schon lange nicht mehr geschlafen, und sie macht
langsam schlapp. MyBoat pflügt durch das Meer, wobei der
Verbrauch an Antimaterie-Brennstoff höher ist als erwartet
– obwohl sie damit noch immer leicht um die ganze Welt kommen
würde, wenn es sein müßte. Die Bootshülle
vibriert spürbar bei der hohen Geschwindigkeit. Aber der
Autopilot kümmert sich um alles; Carla muß nur dann
eingreifen, wenn sie einen Hafen anläuft, und da sie noch immer
über tausend Kilometer nordwestlich von Nauru steht, hat sie
noch reichlich Zeit.
    Sie schämt sich ein wenig, weil sie einfach geflüchtet
war, als sie das ganze Ausmaß der sich anbahnenden Katastrophe
erkannt hatte; ein wahrer Wissenschaftler, so tadelt sie sich selbst,
wäre etwas weiter nach Nordosten gefahren, hinüber in die
Entstehungszone des Wirbelsturms vor Südmexiko, um sich einen
Überblick zu verschaffen. Andererseits verfügt sie jedoch
nur über eine Vergnügungsjacht und kein Forschungsschiff,
und zweifellos werden die Großmächte schon große
Einheiten in diesem Sektor dislozieren. Wenn sie sich entschieden
hätte, Kurs dorthin zu nehmen, wäre sie wohl nur von der
amerikanischen oder mexikanischen Marine abgefangen und interniert
worden.
    Und das, worauf sie hier stößt, ist auch so schon
schlimm genug. Bei der richtigen atmosphärischen Zusammensetzung
muß mit fünfzig bis hundert schweren Wirbelstürmen
und einer Vielzahl kleinerer Stürme gerechnet werden. Sie hat
das Äquivalent von sechs alten Crays an Bord (sie erinnert sich
noch an die Zeit, als man solche Dinger mieten konnte, und heute
verwenden manche reichen Leute Mikro-Hochleistungsrechner allein
für die Verwaltung ihrer Häuser), aber selbst diese
Kapazitäten reichen nicht annähernd aus, um das ganze
Modell in einer vertretbaren Zeit ablaufen zu lassen.
    Also sieht sie sich gezwungen, etwas zu tun, das bei der NOAA
niemand tun muß (und bei der NSA auch nicht, aber das kann sie
ja nicht wissen). Sie muß sich bei der sequentiellen Erstellung
des Modells zum Teil auf Grafiken und ihre Intuition stützen und
den Rest, den sie nicht aus dem Bauch heraus erstellen kann,
simulieren. Das ist zwar elend ungenau, und wenn ihre Intuition sie
an irgendeinem Punkt im Stich läßt, wird nur noch Unsinn
dabei herauskommen, aber mehr kann sie nicht tun, wenn sie die
Antwort erhalten will, bevor der Sturm losbricht.
    Also läßt sie sich auf dem Bildschirm die neuen
Isothermen im Pazifik zeigen. Eine Isotherme ist eine imaginäre
Linie, die einen konstanten Temperaturverlauf markiert; die meisten
Leute kennen das schon vom TV-Wetterbericht, üblicherweise als
farbige Bänder der Hoch- oder Tiefdruckgebiete.
    Wenn man nach Wirbelstürmen Ausschau hält, muß man
auf eine spezifische Isotherme achten, nämlich auf diejenige
für 27,5° Celsius.
    Ein Wirbelsturm ist eine gigantische Wärmekraftmaschine. Das
heißt, er wandelt eine gegebene Temperaturdifferenz in
kinetische Energie um, wie Ottomotoren, Dampfmaschinen, Düsen-
und Raketentriebwerke oder Turbinen. Aber wohingegen beispielsweise
ein Ottomotor einen Teil der aus dem verbrannten Kraftstoff erzeugten
Wärmeenergie in eine Hubbewegung der Kolben umsetzt, indem der
größte Teil der Wärme an das kühlere Medium
abgeführt wird, kommt ein

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