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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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Das hier ist wichtig. Die
Zahlen, die ich von ihm erhalten habe, liegen deutlich höher als
die Werte, die mir von der NOAA übermittelt wurden, und die
Abweichung hat Methode – irgend jemand dividiert manche
Schlüsseldaten vor der Freigabe durch acht. Ich will wissen, was
los ist und warum das gemacht wird – und wenn Sie nicht
orientiert sind, gebe ich Ihnen die exakten Zahlen.«
    Di vermittelt den Eindruck, als ob er einen Schlag in die
Magengrube erhalten hätte, aber er würde ohnehin so
dreinblicken, ob er nun über diese Information an sich erstaunt
wäre oder über ihr diesbezügliches Wissen. »Wie
sehen diese Zahlen aus?« fragt er sie.
    Sie sagt es ihm und zieht den zweiten ihrer drei Trümpfe aus
dem Ärmel. »Wenn Sie jetzt diese Werte eingeben, lassen Sie
sich auch die Isothermen der Temperatur des Oberflächenwassers
des Pazifik ausdrucken.«
    »Warum?«
    »Weil unser Modell die Größe jeder Entstehungszone
individuell errechnet. Im Grunde ist das ausreichend, und es
funktioniert auch; wenn nämlich nur geringe Schwankungen
auftreten, wachsen oder schrumpfen die Zonen maximal um hundert
Seemeilen.« Dann eröffnet sie ihm, daß der ganze
Pazifik sich in eine Entstehungszone für Wirbelstürme
verwandelt hat.
    »Bedenken Sie, Di, ein Wirbelsturm wird um so stärker,
je größer die von ihm überbrückte Distanz
über erwärmten Oberflächenwasser ist. Bis heute hat
noch kein Wirbelsturm eine zweitausend Meilen breite Entstehungszone
durchlaufen. Wenn ein großer Hurrikan auf die Ostküste der
USA trifft, hat er sich bis Florida meist schon totgelaufen. Aber in
diesem Sommer wird es solche geben, die erst nach einer Distanz von
achttausend oder gar zehntausend Meilen Land erreichen… wobei
ein Hurrikan über New York City hinwegziehen, Kurs auf Europa
nehmen und dabei noch an Dynamik gewinnen könnte.«
    »Jetzt machen Sie aber mal halblang, Carla; es sieht zwar
schlecht aus, aber so schlecht nun auch wieder nicht.
Wirbelstürme ziehen immer von Ost nach West. Irgendwann
müssen sie auf Land stoßen…«
    Zeit für ihren dritten Trumpf. »Sie wandern aber auch in
Richtung Pol. Und wenn sie erst einmal zweiunddreißig Grad
nördlicher Breite erreicht haben, werden die
Meeresströmungen und Höhenwinde sie nach Osten umleiten. Es
wäre durchaus möglich, daß in diesem Sommer einige
Wirbelstürme dort draußen zirkulieren und überhaupt
nicht mehr zum Erliegen kommen.«
     
    Ein Merkmal von Daten ist, daß sie nicht diebstahlsicher
sind. Als sich herausstellt, daß ein leitender Meteorologe bei
der NOAA an der Schaltstelle sitzt, verwandelte diese Gewißheit
– dieser kleine Hinweis, daß ›dies vielleicht von
Relevanz ist‹ – sich ihrerseits in ein Datum, das zu
stehlen sich nun lohnte. Diese Information wurde simultan von einem
Dutzend Überwachungsprogrammen entwendet, denen es ihrerseits
wieder von Dutzenden anderer Späher abgejagt wurde, und aufgrund
dieser Proliferation weiß nun praktisch jede relevante
Führungskraft, daß Di Callare eine wichtige Rolle spielt.
Eine der wenigen Personen, die das noch nicht wissen, ist Di Callare
selbst.
    Er hat noch nicht bemerkt, daß seine Vorgesetzten ihn schier
mit Samthandschuhen anfassen, obwohl sie, beziehungsweise die Leute
vom FBI, ihn ständig überwachen.
    Auf der anderen Seite ist ihm doch schon aufgefallen, daß
man ihm anscheinend vieles vorenthält, als ob man ihn daran
hindern wollte, sich einen Überblick über die Lage zu
verschaffen. Also bewirkt Carla Tynans Anruf, daß bei ihm der
Groschen schließlich fällt, und er ist schon viel zu lange
in Washington, um nicht zu merken, daß er aufgrund des ihm
vorenthaltenen Materials wichtiger ist, als er sich selbst
einschätzt. Von da ist es nicht mehr weit bis zur Paranoia, aber
wie ein hundert Jahre altes Sprichwort schon sagt, bedeutet Paranoia
nicht, daß nicht doch jemand hinter einem her ist.
    Nachdem er aufgelegt hat, läßt er ein Dutzend kleiner
Details Revue passieren… ein paar Berichte, die er als zu
spekulativ beurteilt hatte – und die später auf einmal
verschwunden waren. Dann tauchten ein paar Leute bei der NOAA auf,
die er zunächst für neue Mitarbeiter hielt, Leute, die er
noch nie zuvor gesehen hatte, die anscheinend immer nur am Telefon
hingen, wenn sie nicht in Besprechungen waren, und deren Kompetenz
nicht unbedingt im Fachbereich Meteorologie zu suchen war. Er hatte
nämlich einmal mitbekommen, wie ein neuer Abteilungsleiter von
einem anderen neuen Mitarbeiter

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