Die Mutter aller Stürme
staubigen, schmalen Seitenstraße von
Tapachula ereignet.
»Im Moment bin ich Mary Ann Waterhouse, und ich mache Urlaub.
Aber, ja, als Synthi Venture verdiene ich meinen Lebensunterhalt.
Hast du schon mal mit mir… äh…« Sie spreizt
leicht die Beine und legt die Hände auf den Rücken; dann
stößt sie ihre großen Brüste nach vorne und
bewegt rhythmisch das Becken.
Er ist froh, daß es dunkel ist, denn er hätte es nie
für möglich gehalten, einmal zu erröten, und seine
Haut glüht regelrecht; er fühlt sich wie ein kleiner Junge.
»Auf der Schule waren Sie mein Schwarm…«, bringt er
mit belegter Stimme hervor.
»Und wann war das, vor drei oder vier Jahren?« fragt
sie, wobei ein verschmitztes Lächeln auf ihrem Gesicht
erscheint. »Du weißt ja, daß sie die Bilder leicht
retuschieren, so daß ich auf ihnen noch immer wie zwanzig
aussehe?«
»Ähem, Sie sehen noch immer… äh… wirklich
gut aus.«
»Für Komplimente bin ich immer empfänglich, aber
bitte nicht gar zu viele bei meiner jetzigen Konservierung.«
Unvermittelt zieht sie das Hemd straff, so daß er sieht, wie
groß und hoch angesetzt ihre Brüste wirklich sind;
irgendwie tickt sie nicht richtig, und er ist nicht mehr ganz so
scharf auf sie wie noch vor einer Sekunde. »Sind sie im
richtigen Leben besser?«
»Ich…« Er schluckt. »Ich weiß
wirklich…«
»Du willst sicher sagen: ›Sie gefallen mir
wirklich.‹ Mit dem Hintergedanken, daß du mit mir allein
sein möchtest.« Sie winkt ihm zu und leckt sich die Lippen;
dann streicht sie sich über die Schenkel, zieht den Rock stramm,
und Jesse kommt sich nun ganz und gar wie ein Kind vor. Nun tritt sie
dichter an ihn heran und fragt: »Ich gefalle dir,
stimmt’s?«
Er nickt verwirrt und ist nicht mehr in der Lage, seine
Gefühle zu ordnen.
»Warum gehen wir dann nicht zu mir und ficken?«
Sein erster Gedanke ist, daß es sich bei ihr um eine
Prostituierte handelt, die sich mit biotechnischen Mitteln in eine
Kopie von Synthi hat verwandeln lassen, und sein zweiter Gedanke ist,
wenn dem so sein sollte, dann ist sie es wert, ein Monatsgehalt zu
verhuren. Aber eine Prostituierte als Kopie einer prominenten
XV-Akteurin wird sich wohl kaum in einem mexikanischen Provinznest
aufhalten und sich ihm schon gar nicht wie eine vom
Straßenstrich nähern – Teufel, sie gebärdet sich
ja noch schlimmer als die Straßennutten vor seiner Wohnung.
Aber wenn sie wirklich Synthi Venture ist – und je näher
er ihr kommt, desto größer wird die
Gewißheit…
Sie streckt die Arme aus, nimmt sein Gesicht in beide Hände,
drückt ihn an sich und verpaßt ihm einen feuchten und
schlabbernden Kuß, wobei ihr Mund weit geöffnet ist und
ihre Zunge tief in seinen Mund fährt. Damit hat er nun nicht
gerechnet, und er weiß auch nicht, ob es ihm gefällt,
zumal sie ihm jetzt auch noch gegen das Bein tritt, aber zugleich
spürt er, wie seine Jeans von einer Erektion ausgebeult wird. Er
gibt den Widerstand auf und sich ihr hin; ihre Hand gleitet unter
sein Hemd, ihre Finger spielen mit seinen Brustwarzen und kommen dann
wieder zum Vorschein, gleiten über seinen Gürtel, schlanke
Finger tippen leicht auf das kräftige Baumwollgewebe, mit gerade
so viel Druck, daß er ihre Hand auf dem Penis spürt. Er
drückt sein Geschlechtsteil gegen sie, und sie flüstert:
»Genug geredet. Wir gehen zu mir. Wir machen alles, was du schon
immer mit mir machen wolltest, und dann können wir reden. Oder
auch nicht. Es ist mir im Grunde egal, wenn du nur meinen Körper
willst.«
Sie ergreift seine Hand, und er folgt ihr wie ein Zombie; es kommt
ihm so vor, als ob er direkt und ohne Vorwarnung aus der
Realität in XV übergewechselt wäre. Solche Dinge
erlebt wahrscheinlich auch Rock oder hat sie erlebt, als er
jünger war – tatsächlich entspricht dieser Vorgang
fast Rocks Impressionen in Auftrag in Singapur, der langen
Dokumentarsendung, in der Rock in den Untergrund ging, um den Handel
mit hochpreisigen kaukasischen Prostituierten zu recherchieren. Aber
damals hieß seine Partnerin Starla, deren Karriere abrupt
endete, als sie während der Sendung ermordet wurde, der
›verbotene Clip‹, von dem jeder angeblich eine Bezugsquelle
kennt.
Verwirrt und in dem Bestreben, das alles zu begreifen, prägt
er sich so viel von der Umgebung ein wie nur möglich, als ob
irgendwo ein Kobold lauern würde, der ihm sagte, er hätte
nur einen lebhaften Traum.
Die Straße ist mit einer weichen Staubschicht überzogen
– vor ein paar
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