Die Mutter der Königin (German Edition)
Königin verbirgt das Gesicht in den Händen.
«Ich will nicht noch ein Jahr verschlafen», scherzt er.
Marguerite erschaudert, dann setzt sie sich aufrecht hin und faltet die Hände im Schoß. Ihr Gesicht ist wie aus Stein.
«Das war gewiss sehr lästig für Euch alle», meint er wohlwollend und sieht sich in der Kammer um. Er scheint nicht zu verstehen, dass er von seinem Hof verlassen worden ist, dass außer uns, seinen Mitgefangenen, nur noch seine Ärzte und Pflegerinnen hier sind. «Ich werde mich darum bemühen, dass es nicht wieder vorkommt.»
«Wir lassen Euch jetzt allein», sage ich leise. «Es war ein großer Tag für uns alle.»
«Ich bin sehr müde», sagt er arglos. «Aber ich hoffe sehr, dass ich morgen früh wieder aufwache.»
«Amen!», wiederhole ich.
Er strahlt wie ein Kind. «So Gott will. Wir sind alle in seiner Hand.»
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Palast von Placentia, Greenwich, London
FRÜHJAHR 1455
D er König ist wach, doch es geschieht nicht, wie Gott will, sondern wie die Königin will. Sie schickt umgehend eine Nachricht an den Kronrat, die so aufbrausend und drängend ist, dass sie den Duke of Somerset augenblicklich aus dem Tower entlassen, wenn auch mit der Auflage, sich dem König nicht auf zwanzig Meilen zu nähern und sich in keiner Weise politisch zu betätigen. Der Herzog bringt seine Angelegenheiten in London in Ordnung und bewaffnet eilig sein Gefolge. Dann benachrichtigt er seine Freunde und Verbündeten, ihn werde niemand vom König fernhalten und der Duke of York werde als Erster erkennen, dass er wieder die Macht übernommen habe.
Als wollten sie ihre Rückkehr ins Zentrum Englands feiern, öffnen die Königin und der König den Palast in Greenwich und rufen die Lords zusammen. Der Duke of York folgt der Einladung und gibt seine Stellung als Lord Protector auf. Doch er muss feststellen, dass er auch seines anderen Titels verlustig geht, den des Oberbefehlshabers von Calais. Als solcher wird unverzüglich wieder Edmund Beaufort ernannt, der Duke of Somerset, der aus dem Gefängnis entlassen wurde und im Triumph zu Macht und Einfluss zurückgekehrt ist.
Er betritt die Gemächer der Königin so gutaussehend und prächtig gekleidet, als wäre er am Hof von Burgund gewesen, um sich neu auszustatten, und nicht im Tower, um auf seinen Prozess wegen Verrats zu warten. Er ist wieder ganz oben auf dem Rad des Schicksals, am ganzen Hof gibt es keinen größeren Mann. Die Hofdamen sind aufgeregt, wenn er den Raum betritt, niemand kann den Blick von ihm wenden. Mitten im Zimmer kniet er vor Marguerite nieder, die bei seinem Anblick mit ausgestreckten Händen auf ihn zugeflogen ist. Er verneigt sich, führt ihre Hände an die Lippen und atmet ihren Duft ein. Die Hofdame neben mir seufzt neidisch auf. Marguerite steht vollkommen still, sie zittert leicht bei seiner Berührung und sagt sehr leise: «Bitte erhebt Euch, Mylord. Wir sind froh, Euch wieder in Freiheit zu sehen.»
Er steht in einer anmutigen Bewegung auf und bietet ihr den Arm. «Wollen wir ein wenig zusammen gehen?», schlägt er vor, und die beiden schreiten voran in die große Galerie. Ich folge ihnen mit einer Hofdame und bedeute den Übrigen mit einem Nicken zu bleiben, wo sie sind. Absichtlich trödele ich hinter ihnen her, damit meine Begleiterin nicht mit anhören kann, was sie einander zuflüstern.
Am Ende der Galerie verneigt er sich und geht, und Marguerite wendet sich mir mit strahlendem Gesicht zu. «Er wird dem König raten, den Duke of York nicht zum Kronrat zuzulassen», sagt sie entzückt. «Wir werden nur Mitglieder des Hauses Lancaster um uns haben. Alles, was York errungen hat, während er Lord Protector war, wird ihm fortgenommen, und sein Schwager, der Earl of Salisbury, und dieser zu groß gewachsene Welpe, Richard Neville, der Earl of Warwick, werden auch nicht geladen. Edmund sagt, er werde den König gegen unsere Feinde einnehmen. Sie sollen von allen einflussreichen Positionen ausgeschlossen werden.» Sie lacht. «Edmund sagt, der Tag, an dem sie ihn in den Tower geworfen und mich in Windsor eingesperrt haben, werde ihnen noch leidtun. Er sagt, sie werden noch vor mir niederknien. Er sagt, der König wisse kaum, wo er sei und was er tue, und wir beide, er und ich, könnten über ihn gebieten. Wir werden unsere Feinde bekämpfen, vielleicht stecken wir sie ins Gefängnis, vielleicht hängen wir sie an den Galgen.»
Ich strecke die Hand nach ihr aus. «Euer Gnaden …» Doch der Gedanke an
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