Die Mutter der Königin (German Edition)
Ich ertrage keine Berührung. Sagt es mir nur. Es steht schlimm, nicht wahr?»
An ihrer Stelle würde ich das Schlimmste zuerst hören wollen. «Marguerite, es bricht mir das Herz, es Euch sagen zu müssen, aber Seine Gnaden, der Duke of Somerset, ist tot.»
Einen Augenblick ist es, als hörte sie mich gar nicht. «Seine Gnaden?»
«Der Duke of Somerset.»
«Habt Ihr ‹tot› gesagt?»
«Tot.»
«Meint Ihr Edmund?»
«Ja, Edmund Beaufort.»
Langsam füllen sich ihre graublauen Augen mit Tränen, ihre Lippen zittern, und sie legt die Hände an die Schläfen, als zerspringe ihr Kopf vor Schmerzen. «Das kann nicht sein.»
«Es ist aber so.»
«Seid Ihr sicher? War der Mann sich sicher? Bei Schlachten geht so viel durcheinander, könnte er sich nicht geirrt haben?»
«Möglich wäre es. Aber er war sich sehr sicher.»
«Wie kann das sein?»
Ich zucke die Achseln. Die Einzelheiten werde ich ihr jetzt nicht berichten. «Es war ein Kampf Mann gegen Mann in den engen Straßen …»
«Und der König hat mir eine Nachricht geschickt und mir befohlen, ein Dankgebet zu sprechen? Ist er jetzt völlig verrückt geworden? Er gebietet eine Dankmesse, wo Edmund tot ist? Ist ihm denn alles gleichgültig?»
Sie schweigt einen Augenblick, und als ihr das ganze Ausmaß ihres Verlustes aufgeht, seufzt sie schaudernd.
«Womöglich war es nicht der König, der den Befehl gab, zum Dank eine Messe zu lesen», sage ich. «Womöglich kam er vom Duke of York.»
«Was schert es mich? Wie soll ich nur ohne ihn zurechtkommen, Jacquetta?»
Ich nehme ihre Hände, damit sie sich nicht die Haare ausreißt. «Marguerite, Ihr werdet es ertragen müssen. Ihr müsst tapfer sein.»
Sie schüttelt den Kopf, und ihrer Kehle entfährt ein tiefes Stöhnen. «Wie soll ich nur ohne ihn zurechtkommen, Jacquetta? Wie ohne ihn leben?»
Ich schließe sie in die Arme und wiege sie, und ihr leises Weinen will gar nicht mehr aufhören. «Wie soll ich nur ohne ihn leben? Wie soll ich hier überleben ohne ihn?»
Ich führe sie zu dem großen Bett und drücke sie sanft in die Kissen. Kaum hat sie sich hingelegt, fallen ihre Tränen auf das bestickte Leinen. Sie schreit nicht, und sie schluchzt nicht, sie wimmert nur mit zusammengebissenen Zähnen, als versuchte sie, die Laute zu dämpfen, doch sie kann sie so wenig unterdrücken wie ihre Trauer.
Ich setze mich zu ihr und halte schweigend ihre Hand. «Und mein Sohn», sagt sie. «Gütiger Himmel, mein kleiner Sohn. Wer wird ihn lehren, ein Mann zu sein? Wer wird für seine Sicherheit sorgen?»
«Scht», sage ich. «Scht.» Vergeblich.
Sie schließt die Augen, doch die Tränen laufen ihr weiter über die Wangen, und sie wimmert immer noch leise vor sich hin, wie ein Tier in Todesqualen.
Dann schlägt sie die Augen auf und stützt sich auf die Ellbogen. «Und der König?», fragt sie, als fiele er ihr erst jetzt ein. «Ich nehme an, ihm geht es gut? Ist er in Sicherheit? Ich nehme an, er ist ungeschoren davongekommen? Wie immer, dem Himmel sei Dank?»
«Er wurde leicht verletzt», sage ich. «Doch er ist in der Obhut des Duke of York. Er bringt ihn mit allen Ehren nach London.»
«Wie soll ich nur ohne Edmund zurechtkommen?», flüstert sie. «Wer wird mich jetzt beschützen? Wer wird meinen Sohn leiten? Wer wird für die Sicherheit des Königs sorgen? Und was, wenn er wieder einschläft?»
Ich schüttele den Kopf. Es gibt nichts zu sagen, womit ich sie trösten könnte. Sie muss den Schmerz über den Verlust erdulden. Am Morgen wird sie in dem Wissen erwachen, dass sie dieses Königreich ohne die Unterstützung des Mannes, den sie geliebt hat, regieren und dem Duke of York entgegentreten muss. Sie wird allein sein. Sie muss ihrem Sohn Vater und Mutter zugleich sein. Sie muss König und Königin von England sein. Und niemand darf wissen – niemand darf auch nur ahnen –, dass ihr Herz gebrochen ist.
In den nächsten Tagen ist sie nicht Marguerite d’Anjou, sie ist wie ihr eigener Geist. Sie verliert ihre Stimme, sie ist geschlagen wie eine Stumme. Ihren Hofdamen erkläre ich, vor Schock habe sie Halsschmerzen bekommen, wie bei einer Erkältung, sie müsse ruhen. Und so sitzt sie in ihrem abgedunkelten Gemach, die Hand auf dem Herzen, und schweigt. Ich sehe, dass sie die Schluchzer zurückhält und an ihrer Trauer schier erstickt. Sie wagt es nicht, einen Laut von sich zu geben, denn wenn sie den Mund aufmachen würde, würde sie schreien.
In London wird eine schreckliche Posse zur
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