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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Aufführung gebracht. Der König, der vergessen zu haben scheint, wer er ist, was seine Position ist und dass er König von Gottes Gnaden ist, geht in die St. Paul’s Cathedral, um sich noch einmal krönen zu lassen. Doch kein Erzbischof krönt ihn, nein, in einer Verhöhnung des Krönungsaktes ist es Richard of York, der ihm die Krone aufsetzt. Für die vielen hundert Menschen, die sich in der Kathedrale drängen, und die vielen tausend Menschen, die von der Zeremonie hören, ist es, als setzte ein königlicher Cousin dem anderen die Krone auf. Als wären sie einander ebenbürtig, als sei Gehorsam eine Frage der Wahl.
    Ich berichte der Königin davon, und sie steht unsicher in ihrem dunklen Gemach auf, als müsste sie wieder lernen zu gehen. «Ich muss zum König», sagt sie mit schwacher, krächzender Stimme. «Er gibt alles fort, was wir haben. Er muss wieder den Verstand verloren haben, und jetzt verliert er noch die Krone und das Erbe seines Sohnes.»
    «Wartet», sage ich. «Wir können diesen Akt nicht ungeschehen machen. Lasst uns abwarten und schauen, was wir tun können. Und während wir der Dinge harren, könnt Ihr Eure Gemächer verlassen, etwas Anständiges essen und zu Eurem Volk sprechen.»
    Sie nickt, sie weiß, dass sie den Hofstaat anführen muss, und zwar allein. «Wie soll ich nur irgendetwas tun ohne ihn?», flüstert sie mir zu.
    Ich nehme ihre Hände, ihre Finger sind kalt. «Ihr werdet es schaffen, Marguerite. Nur Mut.»

    Über einen Wollhändler, dem ich von früher vertraue, schicke ich eine dringende Nachricht an Richard. Ich erkläre ihm, dass die Yorkisten wieder an der Macht sind und er sich wappnen muss, weil sie wieder versuchen könnten, die Garnison einzunehmen. Dass der König in ihrem Gewahrsam ist und dass ich ihn liebe und vermisse. Ich bitte ihn nicht, nach Hause zu kommen, denn ich weiß nicht, ob er in diesen unruhigen Zeiten zu Hause sicher wäre. Ich begreife allmählich, dass der Hof, das Land und wir selbst von einem Streit unter Verwandten in einen Krieg unter Verwandten geraten.

    Richard of York zögert nicht lange. Das hatte ich erwartet. Über die Palastbeamten lässt er die Königin wissen, sie solle in Hertford Castle, einen Tagesritt nördlich von London, auf ihren Gemahl treffen. Als ihr Haushofmeister es ihr mitteilt, fährt sie ihn an: «Er wird mich verhaften.»
    Der Mann schreckt vor ihrem Zorn zurück. «Nein, Euer Gnaden. Er will Euch und dem König einen Ort geben, wo Ihr in Ruhe warten könnt, bis das Parlament in London tagt.»
    «Warum können wir nicht hierbleiben?»
    Der Mann wirft mir einen verzweifelten Blick zu. Ich ziehe eine Augenbraue hoch, ich bin nicht geneigt, ihm zu helfen, denn ich weiß auch nicht, warum sie uns in die Burg schicken wollen. Sie ist ringsum von einer Mauer umgeben und hat einen Burggraben und ein Tor – wie ein Gefängnis. Wenn der Duke of York den König, die Königin und den jungen Prinzen wegsperren möchte, könnte er kaum einen geeigneteren Ort wählen.
    «Dem König geht es nicht gut, Euer Gnaden», gesteht der Haushofmeister schließlich. «Sie halten es für besser, wenn die Menschen in London ihn nicht zu sehen bekommen.»
    Dies ist die Nachricht, vor der wir uns gefürchtet haben. Sie nimmt sie ruhig auf. «Nicht gut?», fragt sie. «Was meint Ihr mit ‹nicht gut›? Schläft er?»
    «Ja, er ist sehr müde. Aber er schläft nicht wie beim letzten Mal, sondern steht nach der Verletzung am Hals große Angst aus. Der Herzog glaubt, man sollte ihn nicht dem Lärm und der Geschäftigkeit Londons aussetzen. Die Stille der Burg könnte ihm guttun, er hat einen Großteil seiner Kindheit dort verbracht und wird es dort behaglich haben.»
    Sie sieht mich fragend an. Gewiss überlegt sie, was Edmund Beaufort ihr geraten hätte. «Richte Seiner Gnaden, dem Herzog, aus, dass wir morgen nach Hertford aufbrechen», sage ich zum Boten, und als er sich abwendet, flüstere ich der Königin zu: «Was sollen wir sonst machen? Wenn der König krank ist, schaffen wir ihn besser aus London fort. Wenn der Herzog uns befiehlt, nach Hertford zu gehen, können wir uns nicht weigern. Sobald der König in unserer Obhut ist, entscheiden wir, was wir tun werden. Wir müssen ihn vom Herzog und seinen Männern fortbringen. Wenn der König bei uns ist, wissen wir ihn wenigstens in Sicherheit.»

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    Hertford Castle
SOMMER 1455
    E r sieht nicht aus wie der König, der in Begleitung zweier Freunde wie zum Vergnügen

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