Die Mutter der Königin (German Edition)
die Gabe haben. Und sie habe mit dir gesprochen. Dein Onkel meint, sie hätte dir etwas beigebracht und dir ihre Bücher und ein Armband mit Glücksbringern zum Wahrsagen hinterlassen. Und du sollst Gesang hören.»
«Hat er Euch das gesagt?»
«Ja, und ich nehme an, dass sie dir die Dinge vererbt hat, weil du sie gut gebrauchen kannst.»
«Mylord …»
«Dies ist keine Falle, Jacquetta, ich möchte dich nicht überrumpeln, etwas zu gestehen.»
Du hast Johanna in die Falle gelockt, denke ich mir im Stillen.
«Ich arbeite für meinen König und mein Land. Und wir stehen kurz davor, wenn Gott will, das Elixier zu finden, das den Tod besiegt – und den Stein der Weisen.»
«Den Stein der Weisen?»
«Jacquetta, ich glaube, dass wir kurz davor sind, Eisen in Gold zu verwandeln. Sehr kurz davor. Und dann …»
Ich warte.
«Dann habe ich genug Münzgeld, um meine Truppen zu bezahlen, um jede Stadt in Frankreich zu bekämpfen. Dann kann die Herrschaft Englands Frieden über all unsere Besitzungen bringen. Dann sitzt mein Neffe fest auf seinem Thron, und das arme englische Volk kann für seinen Lebensunterhalt arbeiten, ohne unter der Steuerlast zu verarmen. Es wäre eine neue Welt, Jacquetta. Und wir würden über sie herrschen. Wir könnten alles, was man in London herstellen kann, mit Gold bezahlen. Wir müssten nicht in Cornwall danach graben oder in Wales die Flüsse auswaschen. Unser Land wäre reicher als in jedem Traum. Und ich bin vielleicht nur noch ein paar Monate davon entfernt, es zu finden.»
«Und was hat das mit mir zu tun?»
Er nickt, als ich ihn in die Wirklichkeit dieses Hochzeitsmorgens zurückhole, der gar kein richtiger Hochzeitsmorgen ist. «O ja. Du. Meine Alchemisten und Astrologen erklären, ich bräuchte jemanden mit deinen Gaben. Jemanden mit der Gabe der Vorhersehung, der in einen Spiegel oder ins Wasser spähen kann und dort die Wahrheit sieht, die Zukunft. Sie brauchen eine Gehilfin mit sauberen Händen und reinem Herzen. Es muss eine Frau sein, eine junge Frau, die niemandem das Leben genommen, nie gestohlen und nie Lust gekannt hat. Als ich dir das erste Mal begegnet bin, hatten sie mir gerade gesagt, ohne eine junge Frau, ohne eine Jungfrau, die in die Zukunft sehen kann, könnten sie nicht weitermachen. Kurz gesagt, ich brauchte ein Mädchen, das ein Einhorn fangen könnte.»
«Mylord, Herzog …»
«Du hast es selbst gesagt. Weißt du nicht mehr? In der Halle in Rouen. Du hast gesagt, du wärst ein reines Mädchen, so rein, dass du ein Einhorn fangen könntest.»
Ich nicke. Das habe ich gesagt. Ich wünschte, ich hätte es nicht getan.
«Ich verstehe deine Schüchternheit. Sicherlich brennst du darauf, mir zu erklären, dass du all das nicht kannst. Ich verstehe deine Zurückhaltung. Aber sag mir nur eins: Hast du jemanden getötet?»
«Nein, natürlich nicht.»
«Hast du schon einmal etwas gestohlen? Und wenn es nur ein kleines Jahrmarktsgeschenk war? Eine Münze aus der Tasche eines anderen?»
«Nein.»
«Hat es dich je nach einem Mann gelüstet?»
«Nein!», sage ich mit Nachdruck.
«Hast du jemals die Zukunft vorausgesagt, in irgendeiner Weise?»
Ich zögere. Ich denke an Johanna und die Karte Le Pendu , an das Rad des Schicksals, das sie so tief nach unten gerissen hat. An den Gesang um die Türme in der Nacht, in der die Demoiselle starb. «Ich glaube schon. Ich weiß es aber nicht genau. Manchmal kommen Dinge zu mir, auch wenn ich sie nicht rufe.»
«Könntest du ein Einhorn fangen?»
Ich lache nervös. «Mylord, das ist nur eine Redensart, nur ein Bild auf einem Wandteppich. Ich wüsste nicht, wie man es anstellt …»
«Man sagt, es gibt nur eine Art, ein Einhorn zu fangen: Eine Jungfrau muss allein in den Wald gehen, und das Einhorn, das kein Mann anfassen kann, wird von allein zu ihr kommen und seinen schönen Kopf in ihren Schoß legen.»
Ich schüttele den Kopf. «Mir ist bekannt, dass man sich das erzählt, aber ich weiß gar nichts über Einhörner. Mylord, ich weiß nicht einmal, ob es sie wirklich gibt.»
«In jedem Fall bist du als Jungfrau von großem Wert für mich, sehr kostbar. Als jungfräuliche Tochter aus dem Haus Melusines, als Erbin ihrer Gaben, bist du sogar mehr als kostbar. Als junge Gemahlin wärst du mir eine Freude, mehr nicht. Ich habe dich geheiratet, um viel mehr mit dir anzustellen, als dich aufs Kreuz zu legen und mir Vergnügen zu bereiten. Verstehst du mich?»
«Nicht ganz.»
«Das macht nichts. Was ich will, ist
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