Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
geschuftet. Ich habe ein Baumhaus für meine Schwestern gebaut, weil mein Vater es von mir verlangt hat. Ich habe immer alles getan, was er sagte, und deswegen kann ich mit einer Kettensäge umgehen. Ich habe ein Kolibrihaus gebaut. Ich war Zeitungsausträgerin, habe El Cerrito ausgetragen und musste einen 25-Kilo-Sack voller Papier auf den Rücken hieven und fünf Meilen damit laufen. Und schau dich selber an – du hast jede Chance bekommen, die du dir vorstellen kannst, jedes Privileg. Nie musstest du Pseudo-Adidas mit vier Streifen statt drei tragen. Und du willst nicht mal diese winzige Sache für Daddy tun. Das ist doch widerlich.»
«Ich will keine Rede halten», war Lulus Antwort.
Ich fuhr größere Geschütze auf. Ich drohte mit allem, was mir einfiel. Ich bestach sie. Ich versuchte ihr Anregungen zu geben. Ich versuchte sie zu beschämen. Ich bot ihr an, ihr beim Schreiben zu helfen. Ich erhöhte den Einsatz und setzte ihr ein Ultimatum, denn mir war klar, dass es eine Entscheidungsschlacht war.
Als das Fest war, trug Sophia ein kleines Meisterwerk vor.Bis zum heutigen Tag schwärmen unsere Freunde, wie witzig, bezaubernd und einfühlsam Sophia war. Sechzehn Jahre alt, auf Absätzen 1,70 Meter groß, war sie ein umwerfendes junges Mädchen mit strahlendem Lächeln geworden. In ihrer Rede erfasste sie ihren Vater perfekt, machte sich liebevoll über ihn lustig, letztlich aber feierte sie ihn.
Danach kam meine Freundin Alexis zu mir und sagte: «Sophia ist einfach unglaublich.»
Ich nickte. «Sie hat eine phantastische Rede gehalten.»
«Ja, absolut … aber das meine ich nicht», sagte Alexis. «Ich weiß nicht, ob man Sophia wirklich versteht. Sie ist eine total unabhängige Person. Und trotzdem schafft sie’s immer wieder, der Stolz deiner Familie zu sein. Und diese Lulu ist einfach entzückend.»
Ich hatte Lulu überhaupt nicht entzückend gefunden. Während Sophias Rede hatte sie neben ihrer Schwester gestanden und liebenswürdig gelächelt. Aber sie hatte nichts geschrieben und sich geweigert, ein Wort zu sagen.
Ich hatte verloren. Es war das erste Mal. In all den Turbulenzen und Kriegen in unserer Familie hatte ich noch nie verloren, jedenfalls nicht in einer so wichtigen Angelegenheit.
Dieses respektlose und demütigende Verhalten machte mich wahnsinnig. Mein Zorn schwelte eine Weile vor sich hin, bis ich irgendwann meiner Wut freien Lauf ließ. «Du hast Schande über diese Familie gebracht», sagte ich. «Jetzt denken alle, du bist weniger gut als Sophia. Mit diesem Fehler wirst du bis ans Ende deiner Tage leben müssen.»
«Du willst ja bloß immer nur angeben», fauchte Lulu zurück. «Immer dreht sich alles um dich. Du hast doch schon eine Tochter, die alles tut, was du willst. Wozu brauchst du mich noch?»
Jetzt stand eine Mauer zwischen uns. Früher hatten wir zwar erbittert gestritten, aber uns immer wieder versöhnt. Hatten uns in ihrem oder meinem Bett zusammengekuschelt, engumschlungen, und uns kichernd gegenseitig nachgeahmt, wie wir gestritten hatten. Ich hatte Dinge gesagt, die für Eltern vollkommen unangemessen sind, wie «Ich werde bald tot sein» oder «Ich kann nicht glauben, dass du mich so lieb hast, dass es weh tut», und Lulu sagte darauf: «Mama! Du bist so schräg!» und musste doch wider Willen lächeln. Jetzt kam Lulu abends nicht mehr zu mir ins Bett. Sie richtete ihre Wut nicht nur gegen mich, sondern auch gegen Jed und Sophia und verkroch sich immer öfter in ihrem Zimmer.
Glauben Sie nicht, ich hätte nicht versucht, Lulu zurückzugewinnen. Wenn ich nicht wütend auf sie war oder mit ihr stritt, tat ich, was ich nur konnte. Einmal sagte ich zum Beispiel: «Komm, Lulu, wir ändern unser Leben und machen was total anderes und Lustiges – einen Garagenflohmarkt.» Wir machten es (Nettoerlös 241,35 Dollar), und es machte Spaß, aber unser Leben änderte sich nicht. Ein andermal bot ich ihr an, einmal Unterricht auf einer elektrischen Geige zu nehmen. Sie tat es und fand es gut, aber als ich eine zweite Stunde für sie vereinbaren wollte, sagte sie, das sei bescheuert, und sie habe keine Lust. Und gleich darauf waren wir wieder so weit, streitend und verfeindet.
Für zwei Menschen, die nicht miteinander auskommen und kaum noch reden, waren Lulu und ich aber auch erstaunlich viel zusammen, obwohl diese Stunden nicht das waren, was ich schöne Momente nennen würde. Unser üblicher Wochenenddrill sah so aus:
Samstag:
1 Std. Fahrt (um 8.00 h) nach
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