Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
Verachtung in die letzten fünf Worte, wie ich aufbringen konnte. «Auf diese Weise weiß Lulu, dass ich sie in jeder Hinsicht für genauso gut halte wie Sophia. Sie hat diese Rücksichtnahme nicht nötig.»
Aber abgesehen davon, dass er gelegentlich dazwischenging, um brenzlige Situationen zu entschärfen, ergriff Jed vor den Mädchen immer meine Partei. Von Beginn an verfolgten wir die Strategie der Einheitsfront, und trotz seiner Bedenken wich Jed davon nicht ab. Stattdessen bemühte er sich nach Kräften, ein Gegengewicht zu schaffen, indem er Fahrradausflüge mit uns allen unternahm, den Mädchen Poker und Poolbillard beibrachte, mit ihnen tauchen ging und Science-Fiction, Shakespeare und Dickens las.
Dann tat Lulu etwas Unvorstellbares: Sie ging mit ihrer Auflehnung an die Öffentlichkeit. Wie Lulu sehr genau wusste, findet chinesische Erziehung, wenn sie im Westen praktiziert wird, grundsätzlich hinter verschlossenen Türen statt. Wenn herauskommt, dass man die eigenen Kinder gegen ihren Willen zu etwas zwingt oder verlangt, dass sie Klassenbeste werden, oder sie, Gott bewahre, nicht bei Freunden übernachten lässt, überhäufen einen die anderen Eltern mit Schmach und Schande, und die Kinder büßen dafür. Infolgedessen lernen chinesische Einwanderer, ihre Überzeugungenfür sich zu behalten. In der Öffentlichkeit lächeln sie jovial und klopfen den Kindern auf den Rücken und sagen dazu Dinge wie: «Klasse, Kumpel» oder «Teamgeist ist alles!» Schließlich ist niemand gern ein Paria.
Deswegen war Lulus Manöver so schlau. Sie stritt laut mit mir, auf der Straße, im Restaurant, in Geschäften, und wenn sie mich anschrie: «Lass mich in Ruhe! Ich mag dich nicht. Hau ab!», drehten sich die Leute nach uns um. Wenn Freunde zum Essen kamen und wissen wollten, wie es ihrem Geigenspiel ging, sagte sie. «Ach, ich muss die ganze Zeit üben. Meine Mutter zwingt mich dazu. Ich habe keine andere Wahl.» Einmal schrie sie auf einem Parkplatz so laut – eine Bemerkung von mir hatte sie in Rage versetzt, und sie weigerte sich auszusteigen –, dass ein Polizist auf uns aufmerksam wurde. Er kam herüber und fragte, was los sei. Irgendwie muss Lulu gespürt haben, dass die chinesische Erziehung ihrem Wesen nach unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, und zerrte sie jetzt ins Freie, um sie zu sprengen.
Seltsamerweise blieb die Schule eine uneinnehmbare Bastion – so viel ließ mir Lulu immerhin. Wenn westliche Kinder rebellieren, geht es in der Regel mit den Noten bergab, und wenn es ganz schlimm kommt, fallen sie sogar durch. Lulu hingegen bekam auch als rebellische Halbchinesin immer nur die besten Noten, war bei allen Lehrern beliebt und wurde im Zeugnis als großzügig, freundlich und hilfsbereit gegenüber ihren Mitschülern beschrieben. «Lulu ist eine Freude», schrieb eine Lehrerin. «Sie hat ein feines Gespür und ist einfühlsam und bei ihren Klassenkameraden sehr beliebt.»
Lulu sah das anders. «Ich habe keine Freunde. Niemand mag mich», verkündete sie eines Tages.
«Lulu, warum sagst du das?», fragte ich besorgt. «Alle mögen dich. Du bist so witzig und hübsch.»
«Ich bin hässlich», widersprach Lulu. «Und du weißt gar nichts. Und woher sollte ich Freunde haben? Du lässt mich ja nichts tun. Ich darf nirgends hin. Das ist alles deine Schuld. Du bist verrückt.»
Lulu weigerte sich, die Hunde auszuführen. Sie weigerte sich, den Müll hinauszubringen. Es war eklatant unfair gegenüber Sophia, dass sie im Haus helfen musste, während Lulu keinen Finger rührte. Aber wie kann man rein physisch eine einen Meter fünfzig große Person zwingen, etwas gegen ihren Willen zu tun? In chinesischen Familien ist dieses Problem nicht vorgesehen, und ich hatte keine Lösung. Ich wandte das einzige Mittel an, das ich kannte, und bekämpfte Feuer mit Feuer. Ich gab keinen Zentimeter nach. Ich sagte, sie sei eine Schande als Tochter, und Lulu antwortete: «Weiß ich, weiß ich. Hast du mir schon gesagt.» Ich sagte, dass sie zu viel aß. («Sei still. Du bist doch krank.») Ich verglich sie mit Amy Jiang, Amy Wang, Amy Liu und Harvard Wong – lauter asiatischen Kindern der ersten Generation –, die alle niemals ihren Eltern widersprachen. Ich fragte sie, was ich falsch gemacht hätte. War ich nicht streng genug gewesen? Hatte ich ihr zu viel gegeben? Ihr schlechten Umgang erlaubt? («Beleidige du ja nicht meine Freundinnen!») Ich drohte ihr mit der Adoption eines dritten Kindes aus China,
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