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Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs

Titel: Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs Kostenlos Bücher Online Lesen
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Norwalk,
    Connecticut
    3 Std. Orchesterprobe
    1 Std. Rückfahrt nach New Haven
    Hausaufgaben
    1–2 Std. Üben
    1 Std. gemeinsame Unternehmungen
    (freiwillig)
     
    Sonntag:
    1–2 Std. Üben
    2 Std. Fahrt nach New York City
    1 Std. Unterricht bei Miss Tanaka
    2 Std. Rückfahrt nach New Haven
    Hausaufgaben
     
    Im Nachhinein betrachtet war es schrecklich. Aber es gab eine Kehrseite, die das Ganze lohnenswert machte. Lulu hasste die Geige – außer dann, wenn sie die Geige liebte. Einmal, als sie Bach spielte, sagte Lulu: «Das ist, als wär ich auf einer Zeitreise; ich könnte im achtzehnten Jahrhundert sein.» Sie sagte, sie finde es schön, wie die Musik in die Tiefe der Zeit hinabreicht. Bei einem von Miss Tanakas im Zweijahresrhythmus stattfindenden Konzerten verzauberte Lulu das Publikum mit Mendelssohns Violinkonzert. Danach sagte Miss Tanaka zu mir: «Lulu ist was ganz Besonderes. Sie spürt die Musik wirklich und versteht sie. Man merkt ihr an, wie sehr sie die Geige liebt.»
    Ein Teil von mir hatte das Gefühl, als hätten wir Miss Tanaka hinters Licht geführt. Ein anderer Teil aber gewann Auftrieb und neue Entschlossenheit.
    Lulus dreizehnter Geburtstag nahte und damit ihre Bat Mizwa. Zwar bin ich keine Jüdin, und die Bat Mizwa fiel in Jeds Zuständigkeit, dennoch brach auch auf diesem Gebiet ein Krieg zwischen Lulu und mir aus. Ich wollte, dass sie auf ihrer Bat Mizwa Geige spielte. Ich hatte Joseph Achrons «Hebräische Melodie» im Sinn, ein wunderschönes Stück wie ein Gebet; Lulus alte Freundin Lexie hatte uns davon erzählt.
    « Geige spielen? Auf meiner Bat Mizwa? Das ist doch absurd! Kommt nicht in Frage», sagte Lulu fassungslos. «Das ist total unpassend. Ist dir überhaupt klar, was eine Bat Mizwa bedeutet? Das ist doch kein Konzert!» Dann fügte sie hinzu: «Ich möchte einfach eine große Party haben. Mit Massen von Geschenken.»
    Letzteres diente dazu, mich zu provozieren und auf die Palme zu bringen. Jahrelang hatte mich Lulu gegen verwöhnte reiche Bälger wettern hören, deren Eltern Millionen für Bat-Mizwa-Partys, Figurentänze, sechzehnte Geburtstage ausgeben. Tatsache ist, dass Lulu ein ausgeprägtes Gefühl für ihre jüdische Identität hat. Anders als Sophia (und übrigens auch Jed) hatte sie stets darauf bestanden, die Pessach-Regeln einzuhalten und an Jom Kippur zu fasten. Für sie war die Bat Mizwa, noch mehr als für Sophia, ein wichtiges Ereignis im Leben, und sie widmete sich mit Feuereifer dem Studium ihrer hebräischen Torah- und Haftarah-Abschnitte.
    Ich ging nicht in die Falle. «Wenn du nicht spielst», sagte ich ruhig, «dann veranstalten Daddy und ich keine Party für dich. Dann findet eben nur eine kleine Feier statt – schließlich zählt das Ritual, nicht das Beiwerk.»
    «Das darfst du nicht!», schrie Lulu wütend. «Das ist total ungerecht. Sophia musste auch nicht auf ihrer Bat Mizwa Klavier spielen!»
    «Es ist gut für dich, wenn du was tust, das Sophia nicht getan hat», sagte ich.
    «Du bist nicht mal Jüdin!», gab Lulu zurück. «Du weißt nicht, was du redest. Das geht dich gar nichts an.»
    Sechs Wochen vor dem Tag verschickte ich Lulus Einladungen. Aber ich warnte sie: «Wenn du nicht die ‹Hebräische Melodie› spielst, sag ich die Party wieder ab.»
    «Das kannst du nicht», sagte Lulu voller Verachtung.
    «Das werden wir sehen», antwortete ich kühl. «Warte nur ab.»
    Ich wusste ehrlich nicht, wer diesmal gewinnen würde. Ein hochriskantes Manöver war es auch deshalb, weil ich keine Ausstiegsstrategie hatte.

27     Katrin
     
    Die Nachricht von Katrins Krebserkrankung war für meine Eltern unerträglich. Zwei der stärksten Menschen, die ich kenne, fielen vor Kummer buchstäblich in sich zusammen. Meine Mutter weinte ununterbrochen, ging nicht mehr aus dem Haus, reagierte nicht auf Anrufe von Freunden. Sie telefonierte auch nicht mehr mit Sophia und Lulu. Mein Vater wiederum rief mich dauernd an und fragte wieder und wieder in beklommenem Ton, ob denn noch Hoffnung sei.
    Katrin entschied sich für das Dana-Farber-Krebszentrum, das der Harvard Medical School in Boston angeschlossen und, wie wir erfuhren, eine der besten Kliniken für Knochenmarktransplantationen im ganzen Land ist. Außerdem hatten Katrin und ihr Mann Or in Harvard Studium und Praktikum absolviert und kannten immer noch Leute dort.
    Es ging alles rasend schnell. Nur drei Tage nach der Diagnose sperrten Katrin und Or ihr Haus in Stanford zu und verlegten ihren gesamten

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