Die Mutter
um. »Äh, nein, ich hab keinen Hunger.«
»Ich auch nicht«, sagte Krista. »Entschuldigung«, fügte sie hinzu und schnallte sich ab.
»Sie müssen nicht meinetwegen aufstehen«, versicherte George.
»Ich muss mal für kleine Mädchen.«
»Wissen Sie noch, wo es ist, Schätzchen?«
»Ja.«
George machte einen Schritt zur Seite, um Krista durchzulassen.
»Hüpf rüber«, forderte Martha ihn auf, als Krista gegangen war.
George ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Es regnete nicht mehr. Die Sonne schien, und alles glänzte.
»Du solltest wirklich etwas essen, Schatz«, sagte Martha in ihrer sanfteren, persönlicheren Stimme, die anders klang als die, in der sie sich mit anderen unterhielt. »Wie wär's, wenn ich dir ein Vegemite-Sandwich mache, wenn wir die Farm erreicht haben? Ich würde dir das Brot gern toasten, aber wir haben ja erst wieder auf dem Campingplatz in Gundagai Strom.«
»Ich kann jetzt nichts essen. Ich glaube nicht, dass ich das bei mir behalten könnte.«
»Ja, ich hab dich da hinten gehört. Geht's dir gut?«
»Nur die üblichen lustigen Spielchen.«
»Viel Blut?«
»Ja, ziemlich viel.«
Keiner von beiden sprach, bevor sie die Ausfahrt Gundagai und den McDonald's passiert hatten.
»Ich schätze, es musste bald wieder schlimmer werden«, sagte George. »Ich habe Krebs; der geht nicht einfach weg wie eine Erkältung. Bald werden auch die Anfälle wiederkommen.«
»Das weiß ich. Ich hatte nur gehofft...«, seufzte Martha. »Ich weiß auch nicht, ich habe für ein Wunder gebetet und geglaubt, vielleicht, nur vielleicht, habe Gott meine Gebete ja erhört. Letzte Woche ging es dir so gut.«
George wandte seinen Blick von den grünen Hügeln ab und schaute Martha an. Liebe, süße Martha. Eine Frau, die in ihrem ganzen Leben nichts Falsches getan hatte. Sie hatte das nicht verdient. Sie verdiente einen Mann, der stark und immer für sie da war, immer für sie da sein würde, nicht so einen blassen, kränklichen Schatten von einem Mann, um den sie sich ununterbrochen kümmern musste. Sie hatte etwas Besseres verdient, und er hasste sich jeden Tag dafür, dass er ihr die Qualen zumuten musste, ihm beim langsamen, schmerzvollen Sterben zuzusehen.
»Wir schaffen das schon«, sagte George. »Ich bin ein zäher alter Mistkerl. So leicht lasse ich ihn nicht gewinnen.«
Martha, in deren Augen Tränen glänzten, lächelte. »Du bist ein zäher alter Mistkerl. Das hab ich auch zu Krista gesagt.« »Ja, hab ich gehört.« »Hast du?«
»Wieso musstest du ihr von mir erzählen? Und wieso musst du mir immer die Mütze ausziehen?«
»Es ist doch offensichtlich, dass du nicht gesund bist, Schatz. Sie hat es ganz allein herausgefunden, ich hab ihr nur ein paar Einzelheiten erzählt. Ich verstehe nicht, warum du unbedingt ein Geheimnis aus deiner Krankheit machen willst. Es ist nicht so einfach, so zu tun, als sei alles in Ordnung, wenn du dir auf der Toilette die Lunge aus dem Leib hustest.«
»Du hättest ihr sagen können, ich hätte die Grippe oder eine Lebensmittelvergiftung.«
Martha seufzte. »George Wilbur Hobbs, ich werde diese arme Frau nicht anlügen. Sie hat in ihrem Leben schon genug durchgemacht, sie muss sich nicht auch noch von einer alten Frau anlügen lassen, schon gar nicht, wenn sie so nett ist, sich die Farm mit uns anzusehen.«
»Sie kommt mit auf die Farm? Warum? Dort gibt es doch nichts, nur die Erinnerungen eines sterbenden Mannes.« George wusste, dass er sich wie ein weinerliches Kind anhörte, aber das war ihm egal. Das sollte eine persönliche Reise sein - er wollte nicht, dass eine Fremde darin eindrang, sie sollte etwas ganz Besonderes sein.
»Sie hat mich gefragt, ob es uns etwas ausmacht, wenn sie mit uns kommt und sie sich anschaut. Ich hab ihr gesagt, natürlich tut es das nicht.«
George hob die Schultern. Er hatte nicht die Kraft, sich deswegen mit ihr zu streiten. Er drehte sich um, sah in den Wohnbereich, wandte sich wieder nach vorne und sagte: »Was denn durchgemacht?«
»Hmm?«
»Du hast gesagt, Krista habe schon genug durchgemacht Was denn?«
»Nun, ihre Tochter ist vor ein paar Jahren an einem Melanom gestorben. Das arme Kind, war gerade mal achtzehn Jahre alt«
»Ihre Tochter ist an Krebs gestorben?«
»Das hab ich doch gesagt. Du klingst überrascht«
»Bin ich auch. Das ist schon ein Zufall.«
»Immer Polizist«, sagte Martha. »Alle sind verdächtig.
Außerdem ist ihr Mann bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ihre Tochter
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