Die Mutter
übermannt zu werden, sich auf dem Boden zusammenkauern und losheulen zu müssen. Er sah den Arbeitsschuppen, den Heuschober - einst war er vor Heuballen fast aus allen Nähten geplatzt, heute stand er jedoch leer und bot nur noch Spinnen und Unkraut ein Zuhause - und, am allerschlimmsten, das Haus - sein Zuhause für fast siebzehn Jahre - war in einem so heruntergekommenen Zustand, dass es ihn mit unendlicher Traurigkeit erfüllte.
Martha, die neben ihm stand, atmete tief ein. »Es ist so friedlich. Ich verstehe, weshalb du diesen Ort so sehr geliebt hast.«
Der Highway war nicht allzu weit entfernt - nur eine kurze Minute Fahrt über die Schotterstraße - aber der Lärm erreichte sie hier nicht. Die einzigen Geräusche waren das Heulen des Windes, das Rascheln der Blätter im nahen Eukalyptusbaum und das Zwitschern der Vögel.
Die Farm hörte und fühlte sich ohne die Kühe, Schafe und die anderen Tiere, die seine Familie gehalten hatte, leer an - aber sie war friedlich, das musste George zugeben.
»Und wem gehört dieses Grundstück heute?«, wollte Krista wissen.
»Irgendeinem alten Mann, der zu alt war, um den Farmbetrieb aufrechtzuerhalten«, antwortete George. »Ich habe mit ihm gesprochen, bevor wir unsere Reise angetreten haben, um sicherzugehen, dass er einverstanden ist, dass wir hierher kommen. Er sagte, es sei okay, da er ohnehin nicht mehr hierher kommt und dass er bisher nur zu faul war, das Grundstück zu verkaufen, es aber bald tun will. Zweifellos wird er es an irgendeinen
Bonzen verkaufen. Wird richtig reich durch den Verkauf, und hier entstehen dann Wohnhäuser oder ein Einkaufszentrum.«
»Das glaube ich nicht«, kicherte Martha. »Sei nicht albern.«
»Wart's nur ab. Vielleicht nicht in allernächster Zukunft, aber irgendwann wird das hier eine Betonwüste sein. Das ist der Lauf der Welt, man kann den Fortschritt nicht aufhalten. Schau dir nur den Hume an: Früher verlief er durch jede Stadt zwischen Sydney und Melbourne. Damals dauerte es vielleicht länger, bis man am Ziel war, aber jede Stadt war einzigartig und hatte einen ganz eigenen interessanten Charakter. Heute kann man froh sein, wenn man auf der gesamten Strecke fünf Städte sieht. Verdammt, in Victoria fahrt man durch keine einzige Stadt mehr. Der Freeway führt an allen vorbei - man erfährt noch nicht einmal, dass sie existieren. Und was, glaubst du, passiert mit ihnen? Sie sterben eines langsamen Todes. Wenn man heutzutage in eine der ganz kleinen Städte fährt, dann ist die Milchbar geschlossen und der Pub leer ... sie sind wie Geisterstädte. Niemand muss mehr dort anhalten, denn heute haben wir diesen wundervollen Asphaltstreifen, der ungefähr so aufregend ist wie ... wie ... nun, wie ich schon sagte, bald wird diese ganze Gegend nur noch aus Beton bestehen. Asphalt und Beton.« Am Ende seines Vortrags war er völlig außer Atem - teils vor Zorn, aber hauptsächlich aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit.
»Du machst dich noch mal selbst kaputt, George«, mahnte Martha. »Komm, wir schauen uns mal das Haus an.«
George schaute zu dem einstöckigen Farmhaus hinüber. Es sah ebenso verfallen aus wie er selbst. Er wollte am liebsten wieder ins Wohnmobil steigen und wegfahren, aber er würde sich nicht von seiner Angst vertreiben lassen, nicht, wenn es um so etwas Wichtiges ging wie das hier. Er wollte den Ort seiner Kindheit noch ein letztes Mal sehen, bevor er starb. Er wusste, er würde es bedauern, falls er jetzt wieder umkehrte, auch wenn es ihm vermutlich mehr schmerzte, seine Erinnerungen unter Staub und Spinnweben begraben sehen zu müssen, als der Krebs, der seinen Körper von innen auffraß.
»Oder wir könnten zum Bach gehen, wenn dir das lieber wäre«, schlug Martha vor. »Und uns das Haus für später aufheben?«
Der Bach bildete die Südgrenze des Grundstücks. Als Kind hatte George es geliebt, darin zu spielen, und er hätte ihn sehr gern noch einmal gesehen, aber dorthin waren es bestimmt zehn Minuten zu Fuß - zu viel in seinem Zustand. »Vielleicht später«, sagte er. »Lass uns erst mal das Haus hinter uns bringen.«
»Ich bleibe hier. Ich habe keinen Grund, es mir anzuschauen«, sagte Krista.
»Unsinn«, protestierte Martha. »Es gibt keinen Grund, weshalb Sie nicht mitkommen sollten - es sei denn, natürlich, wenn Sie nicht wollen. Aber Sie müssen sich nicht als Eindringling fühlen.«
Doch, das muss sie, dachte George. Das ist mein Haus, mein Leben. Mit ihr stimmt irgendwas nicht, und
Weitere Kostenlose Bücher