Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brett Mcbean
Vom Netzwerk:
ich will sie nicht da drinnen haben.
    Natürlich konnte er das nicht laut aussprechen, nicht, wenn er wollte, dass ihn heute Nacht jemand im Bett wärmte. »Also gut, danke«, sagte Krista.
    Zu dritt gingen sie auf das Haus zu, George und Martha Hand in Hand, Krista ein paar Schritte dahinter.
    Während sie durch das hohe Gras staksten, wurde der Wind stärker, und die Art, wie er an Georges Ohren vorbeirauschte, klang für ihn wie Kinderlachen.
    Er blieb stehen und blickte zu den Hügeln in der Ferne hinüber. Er war sich nicht sicher, was er zu sehen erwartet hatte: sich selbst als Zehnjährigen? Seinen älteren Bruder Phil, der jetzt ebenfalls im Ruhestand war und allein lebte? Davey?
    »Was ist los?«, fragte Martha, aber sie klang eher neugierig als besorgt.
    George lauschte. Das entfernte Geräusch der Erinnerung verklang wieder, und er schüttelte den Kopf.
    »Nichts. Mir war nur eben ein bisschen schwindelig, das ist alles. Ist schon wieder vorbei.« »Geht's dir gut?« Er nickte. Sie gingen weiter.
    Je weiter sie sich dem Haus näherten, desto deutlicher
    erkannte George, wie heruntergekommen es war. Die Farbe blätterte ab, die Latten der Veranda waren durchgebrochen und die Fenster mit einer dicken Schmutzschicht bedeckt, die Dachrinne hing herunter, die Dachziegel konnten eine Reinigung vertragen und eine Seite der Hollywoodschaukel war kaputt.
    Martha half ihm die Verandastufen hinauf. Der Geruch des Verfalls wurde stärker.
    »Ich hätte nie zur Polizei gehen sollen«, sagte George zwischen zwei schweren Atemzügen. »Ich hätte auf der Farm bleiben und sie übernehmen sollen, als Mum und Dad starben.«
    »Wir kauen das nicht noch einmal durch. Du warst nicht zum Farmer geboren, und das weißt du auch. Du warst der geborene Polizist.«
    »Schau dich doch mal hier um«, sagte er und umging eine Spalte in den Bodenbrettern. »Hier fällt alles in sich zusammen.«
    »Was hast du denn erwartet? Hier wohnt schon seit Ewigkeiten niemand mehr.«
    »Ich weiß, aber ...« Wie sollte er ihr nur klarmachen, dass es mehr war als nur die Tatsache, dass er die Farm in diesem heruntergekommenen Zustand sehen musste? Dass dies mehr war als nur Land und ein Haus - dies war ein Teil von ihm, und es im Verfall zu sehen, war, als würde man einen Teil seiner Vergangenheit abschneiden. Am liebsten hätte er den Besitzer angerufen und ihn dafür angebrüllt, dass er sich nicht besser um Hill Creek gekümmert hatte. »Es ist nur so hart für mich, es sterben zu sehen, das ist alles«, gestand er.
    »Es kommt der Zeitpunkt, an dem man sich trennen muss«, sagte sie. »Alle Dinge verfallen, auch Häuser. Aber ich weiß, dass es schwer sein muss, den Ort, an dem du aufgewachsen bist, in einem solchen Zustand zu sehen. Du musst nicht reingehen, wenn du nicht willst. Ich verstehe das.«
    Als er vor der Haustür stand, der Tür, durch die er schon tausende Male ein- und ausgegangen war, schüttelte George den Kopf. »Nein, ich möchte es.«
    George öffnete die Fliegengittertür. Ihre Angeln quietschten.
    Das hatten sie schon getan, als er noch ein Junge war, und es
    war gut, zu sehen, dass sich wenigstens ein paar Dinge nicht verändert hatten.
    Er streckte eine Hand aus, ergriff den Türknauf und drehte ihn. Die Tür war nicht verschlossen, genau, wie der Besitzer gesagt hatte.
    Nichts drinnen, was man mitnehmen könnte, hatte er George am Telefon mitgeteilt. George stieß die Tür auf.
    Plötzlich traf ihn der starke Geruch des Verfalls noch heftiger. »Sind Sie sicher, dass ich mit reinkommen soll?«, fragte Krista hinter ihm. Ihre Stimme klang sanft, aber nicht freundlich. George hatte ganz vergessen, dass sie bei ihnen war. Er drehte sich um und sah in ihr blasses Gesicht. Sie sah anders aus als heute Morgen, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte: älter, mit härterem Gesicht und dunkleren Augen. Er musste ein paar Augenblicke warten, bis sich das Gefühl der Übelkeit wieder gelegt hatte, bevor er sprechen konnte. »Ich will Sie nicht anlügen. Dieses Haus bedeutet mir eine Menge, und der Gedanke, dass ein Mensch, den ich eben erst kennengelernt habe, hier eindringt, gefällt mir nicht besonders. Das geht nicht gegen Sie persönlich, aber so empfinde ich eben.«
    »George!«, schimpfte Martha und ließ seine Hand los. »Ich weiß, dass du wegen der Farm aufgebracht bist, aber das ist kein Grund, es an Krista auszulassen.« »Nein, ist schon okay«, sagte Krista. »Ich verstehe das.« George konnte es in ihren Augen lesen

Weitere Kostenlose Bücher