Die Mutter
habe.«
»Dann nutze es weise. Iss es, und du wirst die Wahrheit erfahren.«
»Ich kann nicht«, sagte sie und schloss die Augen.
»Dann wirst du mit dieser Ungewissheit sterben. Und all das wird sinnlos gewesen sein.«
Johnny steckte das Foto wieder ein. Er dachte darüber nach, die Kabel zu benutzen, um sie gefügig zu machen, aber dann entschied er sich, dass es ihr mehr wehtun würde, die Wahrheit nicht zu kennen, als irgendwelche körperlichen Schmerzen, die er ihr zufügte. »Wie du meinst«, sagte Johnny und ging zur Treppe. »Ich muss mich um genügend andere Dinge kümmern.«
»Ich war dem Tod schon früher nahe«, sagte sie. »Es gab Zeiten in meinem Leben, in denen ich dachte, ich würde sterben.«
Johnny drehte sich zu ihr um. »Ja, das hast du mir schon erzählt. Als du vergewaltigt wurdest.«
Ihr dünnes Lächeln, voll von verborgenem Schmerz, überraschte Johnny. Sie öffnete die Augen. »Davon spreche ich nicht. Ich spreche von Rebeccas Vater, Burt. Er hat mich oft so heftig verprügelt, dass ich zu Gott gebetet habe, er möge mich sterben lassen. Die Momente, in denen ich glaubte, zu sterben, gehören zu den glücklichsten in meinem Leben. Es waren die Augenblicke danach - wenn mir klar wurde, dass ich noch immer am Leben war - die am meisten wehtaten. Als mir bewusst wurde, dass ich noch einen weiteren Tag erleben und eine weitere Prügelei ertragen musste, hasste ich Gott noch mehr als Burt.«
Johnny dachte daran, wie sein Vater ihn immer verprügelt und gequält hatte. Wie Johnny den Mistkerl hasste - und Mum, weil sie nichts getan hatte, um ihn aufzuhalten. »Wieso hast du ihn nicht verlassen?«, fragte Johnny. »Das hab ich irgendwann. Es ist eben schwer, zu gehen, wenn dein Wille gebrochen ist. Der einzige Grund, weshalb ich ging und mir nicht mehr wünschte, mein erbärmliches Leben möge endlich vorbei sein, war, dass ich mit Rebecca schwanger war. Sie hat mich vor dem Tod gerettet, aber jetzt ist sie weg und dieses Foto ist alles, was mir von ihr geblieben ist.«
Während er auf die Lady hinuntersah, dachte Johnny: Vermutlich denkt sie sich das alles nur aus, damit ich sie am Leben lasse. Typisch Frau: manipulativ und verlogen und lässt ihren Charme spielen, um zu bekommen, was sie will.
Nun, er würde jedenfalls nicht darauf hereinfallen. Er würde nicht zulassen, dass ihn noch einmal eine Frau ausnutzte.
Er holte das Foto wieder heraus, hielt es hoch und sagte: »Das ist deine letzte Chance. Entweder isst du das Foto und ich erzähl dir die Wahrheit, oder ich verbrenne es und du stirbst, ohne sie je zu erfahren. Du hast die Wahl.«
In der Stille konnte Johnny den Fernseher oben hören, ganz schwach und undeutlich, und irgendwo huschte etwas durch den Keller.
Schließlich sagte die Lady mit gebrochener Stimme: »Okay.« Johnny riss einen dünnen Streifen des Fotos ab. Er ging zu ihr hinüber. »Weit aufmachen.« Sie gehorchte zögerlich.
Er stopfte den Fotostreifen in ihren geöffneten Mund. Er hing noch halb heraus und sah aus wie der Schwanz einer Echse oder wie ein Wurm, der versuchte, sich hinauszuschlängeln.
»Kauen«, befahl er. »Das ist das Einzige, was du zu essen bekommst.«
Die Lady begann, ihren Kiefer zu bewegen, und schon bald war der Streifen verschwunden.
Während sie kaute, konnte sie ihn lächeln sehen; noch mehr als durch das Gefühl des starren Fotos, das ihre Kehle hinunterrutschte, musste sie bei diesem Anblick würgen.
»Lecker, wie?«
Sie schluckte das einzige Foto, das sie von Rebecca besaß. Er zerstörte das letzte greifbare Bild von Rebeccas zartem Gesicht und sie spürte, wie sie der Mut verließ.
Sie tat es für Rebecca. Daran musste sie immer denken.
Er riss ein weiteres Stück ab und bot es ihr an. »Mehr.«
»Nein, nichts mehr«, sagte sie, und das Foto fühlte sich an, als sei es in ihrem Hals stecken geblieben.
»Du willst doch, dass ich dir von deiner Tochter erzähle, oder?«
»Ich kann nicht«, sagte sie. »Ich brauche Wasser.«
Johnny seufzte. »Ich weiß nicht. Die Regel war, nichts zu essen oder zu trinken. Das war deine Strafe. Das hier kann ich ja nicht als Essen bezeichnen, deshalb ist der Teil deiner Strafe noch gewährt. Aber wenn ich dir Wasser gebe, breche ich den zweiten Teil der Regel.«
»Ich kann das Foto nicht essen, wenn du mir nicht ein bisschen Wasser gibst«, sagte sie und sah ihn mit roten, verquollenen Augen an.
Johnny nickte. »Ich schätze, du hast recht. Ein bisschen Wasser wird nicht schaden. Gerade
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