Die Mutter
seine Blase sofort wieder füllte.
Die Hand war klein und sah im schwachen Licht sehr blass aus. Er nahm an, dass es entweder die Hand eines Kindes oder die einer Frau war. Er überwand seine Angst so weit, dass er sprechen konnte. »Hallo?«, versuchte er es.
Er erwartete keine Antwort - er hätte vor Angst geschrien, wenn er eine bekommen hätte - und dankenswerterweise blieb die Person, zu der die Hand gehörte, tatsächlich still.
Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er die Gestalt besser erkennen. An der Form ihres nackten Rückens und ihrer langen, schlanken Beine erkannte er, dass es eine Frau war. Sie hatte wirres, hellbraunes Haar, und sie trug keine Hosen. Von da, wo er stand, konnte er nicht feststellen, ob sie tot oder lebendig war, aber das Hemd, das sie trug, war mit dunkelroten Flecken übersät, die er für Blut hielt.
Er hatte genug gesehen. Er eilte zu seinem Wagen zurück, verschloss sämtliche Türen, kramte aufgeregt nach seinem Handy und wählte mit zitternden Händen den Notruf.
Nachdem er der Person am anderen Ende der Leitung von seinem Fund berichtet hatte, musste er erneut auf die Toilette. Er traute sich jedoch nicht, aus dem Auto zu steigen, und so saß er ängstlich und voller Unbehagen im Wagen und wartete darauf, dass die Polizei eintraf.
So , fand ich mich also im Alter von sechzehn Jahren wieder: Ich lebte in einer Einzimmerwohnung in West Footscray, war schwan germit Rebecca und erhielt Arbeitslosengeld. Das Geld, das ich von der Regierung bekam, reichte gerade so für meinen Lebensunterhalt. Ich hatte genügend übrig, um mir alle Wochen ein wenig »Luxus« zu gönnen; Luxus waren in mei nem Fall eine Musikkassette, ein Buch, eine extra Tafel Schokolade oder e ine Packung Kekse. Ich konnte nicht arbeiten und hatte An gst, dass Burt mich finden würde. Kein besonderes Leben - aber wenigstens hatte ich Rebecca.
Nach ein paar Monaten ohne Burt und ohne das geringste Anzeichen seiner widerlichen Visage, entspannte ich mich allmählich und nahm an, dass er entweder gar nicht versucht hatte, mich zu finden, es nicht schaffte (ich hatte meinen Nachnamen geändert), im Gefängnis saß oder tot war.
Freitag- und samstagabends fanden oft Partys in einer der anderen Wohnungen statt, dann fühlte ich mich besonders einsam. Ich vermisste meine Eltern; angesichts der vielen Umzüge und des Mangels an Aufmerksamkeit und Zuneigung sowie der Art, wie sie Burt behandelt hatten, war ich überrascht, dass sie mir so sehr fehlten. Ich fragte mich oft, ob sie mich auch vermissten. Ich redete mir ein, dass sie das nicht taten und mich noch mehr hassen würden, wenn sie wüssten, dass ich schwanger war.
Das Einzige, was mir half, weiterzumachen, war Rebecca; ich wusste, dass ich stark sein musste, wenn sie erst einmal da war.
Ihre Tritte in mir zu spüren, gab mir den einzigen Grund, zu lächeln. Die Zeit verstrich langsam, aber dann war der Tag (eigentlich war es eine Nacht) endlich da, und - nach zwei Fehlalarmen - wollte Rebecca endlich raus. Ich erspare Ihnen die blutigen Details, aber die Wehen dauerten lange - fast dreißig Stunden -und ich bekam Medikamente, um mir die Geburt zu erleichtern. Aber als alles vorbei war, hatte ich ein wunderschönes kleines Mädchen: geboren am 5. Dezember, einen Monat zu früh, wog sie nur knapp zwei Kilogramm. Sie war winzig, aber das Wundervollste,
was ich je gesehen hatte. Sie hatte Gelbsucht und musste ein paar Wochen im Krankenhaus bleiben, aber als es ihr besser ging, nahm ich sie mit nach Hause.
Rebecca war ein ruhiges Baby, was von Vorteil war, weil wir in einer winzigen Wohnung lebten. Sie weinte kaum, und wenn, war sie ganz leicht durch Kuscheln, eine Mahlzeit oder eine frischt Windel zu beruhigen. Sie war ein Segen, das beste Baby, das sich eine sechzehnjährige alleinerziehende Mutter nur wünschen konnte.
Es lief jedoch nicht alles glatt - als sie drei Monate alt war, bekam sie Krupphusten, und mit acht Monaten eine virale Meningitis, wegen der sie eine Woche im Krankenhaus verbringen musste. Ich hatte schreckliche Angst, auch wenn die Ärzte mir versicherten, dass es nicht lebensbedrohlich war. Ich betete, dass sie alles gut überstand, und das tat sie auch.
Während dieser Phase dachte ich viel an meine Eltern. Es kam eine Zeit, als Rebecca zwei fahre alt war, in der ich beschloss, sie ausfindig zu machen und sie wissen zu lassen, dass sie eine Enkeltochter hatten - eine nicht getaufte, nicht religiöse
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