Die Mutter
genug, um Rebecca ¡unterzuspülen.« Er eilte nach oben, holte ein Glas und rannte dann wieder nach unten. Er tauchte das Glas ins flache Wasser, das vor Blut, Urin, Exkrementen und Dreck ganz trüb war. Es roch faulig.
»Hier.«
Sie sah das Glas und starrte es sehr lange an. »Nein.« »Was?«
»Das trinke ich nicht. Dann musst du mich wohl umbringen.«
Johnny blieb stur. »Wenn du die Wahrheit erfahren willst, dann musst du das trinken.«
»Ich weiß alles über dich«, sagte sie. »Ich weiß, was du getan hast.«
Johnnys Kopf füllte sich wieder mit dem Geräusch, das er weißes Rauschen nannte - eine lärmende Geräuschkulisse aus den Stimmen seiner Eltern, die ihn anbrüllten und ausschimpften. »Trink«, sagte er und versuchte, das weiße Rauschen seiner Eltern zu ignorieren. Er stieß der Lady das Glas ins Gesicht.
»Du hast deine Mutter getötet«, murmelte sie, während er das Glas gegen ihren Mund presste. Rotbraune Flüssigkeit schwappte auf ihren Mund und ihr Kinn.
Johnny schüttelte den Kopf. »Nein!«, brüllte er.
Die Lady wandte ihren Blick nach oben.
Johnny warf das Glas auf den Boden. Es zerbrach. Er packte die Frau an den Haaren und brüllte: »Was glotzt du so, du Schlampe?«
Er folgte ihrem Blick zu der Stelle an der Decke, der gleichzeitig der Boden des Zimmers seiner Mutter war. Er ließ die Haare der Frau los, richtete sich auf und hielt die Luft an, als er den riesigen Blutfleck sah, der sich über die Latten ausgebreitet hatte.
Er blickte wieder nach unten und sah mit Abscheu, dass sein ganzes Hemd mit dem Blut seiner Mutter befleckt war. Mums Blut Für einen Moment war er wie festgefroren. Mum war wirklich tot, und nun kannte jemand sein Geheimnis. E r hätte ihre Leiche schon vor ein paar Tagen loswerden sollen, aber er hatte es einfach nicht übers Herz gebracht, sie zu entsorgen.
Er dachte an Mum, allein in ihrem Zimmer, an ihren zerstörten, blutigen Körper; an ihr Blut, das in dem Haus versickerte, das sie selbst mit aufgebaut hatte - und er fing an zu weinen.
Er war traurig, aber seine Traurigkeit wurde von einem Gefühl des Ekels übertroffen, das er empfand, wenn er an das dreckige, keimverseuchte Blut auf seinem Körper dachte. Er musste würgen. Es war zwar Mums Blut, aber es war trotzdem Blut, und seine lähmende Angst vor allem Verseuchten tobte unter der Oberfläche seiner Haut.
Schreiend riss er sich das Hemd vom Leib.
Er untersuchte seinen Körper; das Blut hatte seine Haut noch nicht beschmutzt. Dann erst bemerkte er es: Das Blut auf seinem Hemd war getrocknet; es sah aus wie Rost. Es war dasselbe Hemd, das er an jenem Tag getragen hatte, als er seine Mutter tötete; er hatte es nur noch nicht gewaschen. Das Blut von der Decke war nicht auf ihn getropft - er erkannte nun, dass es aussah wie eine dunkelrote Pfütze aus getrocknetem Klebstoff.
Er entspannte sich, und dann drang Gelächter in sein Bewusstsein, fast so wie das Blut, das einen Stock höher durch den Teppich gesickert war, und er drehte sich zu der Lady um, die mit hinter dem Rücken gefesselten Armen dasaß, mit dem Gesicht eines Skeletts, und ihn mit toten Augen anstarrte - und ihn auslachte. Diese feine Lady, diese Hure und Lügnerin, lachte ihn aus.
Und Johnny wusste, warum. Es war nicht seine Reaktion auf das Blut, die sie so lustig fand. Es war er selbst. In seiner Eile, das blutgetränkte Hemd loszuwerden, hatte er ganz vergessen, dass sie ebenfalls im Raum war. Er hatte vergessen, dass er niemals jemandem erlaubte, seinen Oberkörper zu sehen, niemals.
Aber nun fühlte er sich vollkommen entblößt und ausgeliefert, wie schon sein ganzes Leben lang, und die Frau lachte ihn aus. Er sah auf seinen grotesk vernarbten Körper hinunter, den Grund für so viel Schmerz und Demütigungen. Der bloße Anblick stieß ihn dermaßen ab, dass er sich ganz krank fühlte.
Die drei Brustwarzen ... die beiden Bauchnabel... die zahlreichen Brandwunden der Zigaretten ... die Messerwunden ... der schwabbelige Bauch, der mit roten, eitrigen Pickeln übersät war. Die linke Seite seines Oberkörpers, die mit dicken Narben aus der Nacht bedeckt war, in der sein Vater einen Topf mit kochendem Wasser nach ihm geworfen hatte, als er acht Jahre alt gewesen war. Die langen, dicken schwarzen Locken, die sich willkürlich über seine Brust und seinen Bauch verteilten und die Tattoos auf seinen Armen, die ihn an die Zeit hinter Gittern
erinnerten - in vielerlei Hinsicht ebenso seine glücklichste wie seine
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