Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)
Jahren ein heikles Thema. Aber die Frauen … Mir ist nicht entgangen, dass die Frauen mich längst mit anderen Augen ansehen. Mir ist nicht entgangen, dass sie insgeheim überglücklich sind … genau wie ich.
Der Magier war insgeheim ebenfalls überglücklich. Er ruhte sich auf einem Sofa im Thronsaal des Herodes – unserem Thronsaal – aus und genoss einen Becher Wein. Ein harmloser kleiner Luxus. Einer von vielen, die er sich in seiner neuen Funktion als Herrscher von Judäa zu gönnen gedachte.
Stolz war gefährlich. Die Juden hatten eine Redensart, nicht wahr? Dass Stolz vor dem Fall käme? Sei’s drum. Der Magier gestattete sich heute ein wenig Stolz, denn es war ihm endlich gelungen, das Unmögliche zu bewerkstelligen. Mithilfe von etwas Geduld und viel Überredungskunst aus der Ferne hatte er zwei der mächtigsten Männer auf der ganzen Welt dahingehend manipuliert, dass sie ihm genau das gaben, was er wollte: eine Chance zum Wiederaufbau. Eine Chance, die verloren gegangene Religion aus der Asche hervorzuholen.
Die Magier – meine Brüder, requiescant in pace – hatten einst jahrhundertelang in Abgeschiedenheit verbracht und die dunkle Macht eines vergangenen Zeitalters studiert. Damals, als Wunder noch gang und gäbe waren. Eine Zeit der brennenden Büsche, Plagen und Überschwemmungen. Jahrhundertelang hatten sie sich von der Welt abgeschottet, um diese Dunkelheit zu meistern. Teilten ihre Geheimnisse mit niemandem. Doch die Welt hatte sich verändert. Reiche waren aus dem Wüstenboden emporgeschossen. Der Mensch hatte seine eigene Magie heraufbeschworen: kontrollierte den Lauf von Flüssen mithilfe von Dämmen, heilte Krankheiten mit Medizin, erbaute Türme, die an den Himmel stießen. Die Wunder hatten aufgehört, und sosehr die Magier auch versuchten, sich rein und fern von der Welt zu halten, drängte sie doch in ihre Sphäre.
Ihre Tempel wurden niedergebrannt. Seine Brüder wurden erjagt, der Häresie bezichtigt und zum Tode verurteilt, bis die einst so mächtigen Magier so gut wie vom Erdboden getilgt waren. Bis nur noch ein einsamer Schüler übrig blieb. Ein Mann, der die uralte Dunkelheit beherrschte. Und dies war, offen gesagt, ein einsames Dasein.
Mit einer Sache hatte Herodes recht gehabt: Die Welt hatte für Männer wie ihn keine Verwendung mehr. Doch der König war schwach. Und seine größte Schwäche war, dass er sich für klug hielt. Es hatte nur eines kleinen Zaubers bedurft. Eines kleinen Betrugs. Was uralte Zaubersprüche betraf, war dieser relativ einfach, und er funktionierte nur bei denjenigen, die verzweifelt genug waren, an die Wirkung zu glauben. Glücklicherweise war der König genau so ein Mann.
In Wirklichkeit war die Krankheit des Herodes unheilbar. Welcher Fluch auch immer sich um seine Innereien gelegt hatte, er war viel stärker als alles, was der Magier heraufbeschwören konnte. Doch während er dem Marionettenkönig nicht wirklich dessen Gesundheit wiedergeben konnte, konnte er den König glauben machen , dass er gesund war. In den verhexten Augen des Herodes sah es aus, als würden seine Wunden und Entzündungen verheilen und als käme seine Gesundheit mit aller Kraft zurück. In den Augen der übrigen Welt war er das gleiche abstoßende Geschöpf wie eh und je.
Ja, seine Kurtisanen mochten es seltsam finden, dass ihr König auf einmal so ausgelassen war und so viel Zeit damit verbrachte, sich im Spiegel zu bewundern. Ja, sie mochten es seltsam finden, wenn er mit neuer Tatkraft herumsprang oder Bemerkungen über sein regeneriertes Erscheinungsbild machte. Doch das Schöne daran war, dass es niemand wagen würde, ihm zu widersprechen.
Judäas Marionettenkönig war zur persönlichen Marionette des Magiers geworden. Und das würde er bleiben, noch während ihn die Krankheit auffraß, die er nicht mehr sehen oder spüren konnte.
Und das wird sie. Bald. Es sei denn, Augustus bringt ihn vorher um. Bringt ihn dafür um, dass er ihm seinen kostbaren Magier gestohlen hat.
Und wenn Herodes tot war? Dann würde der Magier zur Stelle sein, um den Thron ganz für sich in Anspruch zu nehmen. Ein Königreich ganz allein für ihn. Ein Heer, angeführt von uralter Dunkelheit, um Rom herauszufordern. Und eine Gelegenheit, eine uralte Bruderschaft wiederaufzubauen, die in den Annalen der Geschichte so gut wie verloren gegangen war.
Seltsame Stille lag über dem Kerker, unterbrochen nur von den Geräuschen des Regenwassers, das durch die Decke sickerte und auf den
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