Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)
Klemmen und Scheren ordentlich nebeneinander, sorgfältig geschärft und einsatzbereit. Daneben befanden sich eine Schüssel mit Wasser und ein Tuch.
»Was sagen die Fischer gleich noch einmal?«, fragte eine vertraute raue Stimme.
Die Zellentür schwang auf, und die Wachen traten beiseite, als Herodes hereinkam.
»›Je heftiger der Kampf, desto süßer der Fang‹?«
Ein merkwürdiges kleines Männlein in schwarzen Gewändern folgte Herodes auf dem Fuße. Balthasar hasste den kleinen Mann auf der Stelle, vor allem, da er den Verdacht hegte, dass dieser gleich jene scharfen Instrumente benutzen würde, um ihm Schreckliches anzutun. Doch auch – obwohl es unmöglich war, sich in dieser Hinsicht sicher zu sein –, weil Balthasar vermutete, dass der kleine Mann seine Finger im Spiel gehabt hatte, als jene Leichen aus ihren Gräbern auferstanden waren und ihn angegriffen hatten.
Der Magier tauchte die Hände in die Schüssel und wusch sie, bevor er eine Bestandsaufnahme der verschiedenen Instrumente auf dem Tisch durchführte. Er stellte sicher, dass Balthasar alles deutlich sehen konnte, denn ihm war völlig klar, dass die Vorahnung der Qual der schmerzhafteste Teil einer jeden Folter war. Er begutachtete die kleinen Messer und anderen Gerätschaften, die so scharf waren, dass man sie beinahe singen hören konnte. Man brachte einen Stuhl für Herodes, der sich einen guten Meter von dem Verurteilten entfernt niederließ. Rasch wurde ein kleiner Tisch neben den Stuhl gestellt und eine Auswahl an Orangenscheiben und Datteln darauf arrangiert. Er war so nah, dass er jeden einzelnen Blutstropfen sehen können würde, aber zu weit entfernt, um etwas abzubekommen. Der alte König erinnerte Balthasar an einen Zuschauer bei einem Wagenrennen.
»Was auch immer Ihr mir antut«, sagte Balthasar, »es wird Euch nicht näher an sie heranbringen.«
»Und was könnte ich mir von dir erhoffen?«, fragte Herodes. »Die Information, dass deine Freunde auf dem Weg nach Ägypten sind? Natürlich sind sie das. Sie laufen jetzt gerade um ihr Leben, weil sie glauben, dass sie in Sicherheit sind, wenn sie erst einmal die Grenze überquert haben. Aber weißt du, da irren sie sich. Ägypten mag das Ende meines Herrschaftsbereiches sein, aber unsere römischen Freunde beherrschen die ganze Welt.«
Balthasar konnte ihn nur wütend anstarren und sich in seiner Fantasie ausmalen, wie er die Hände um diese kränkliche Luftröhre legte.
»Mich interessiert nicht, was du weißt«, sagte Herodes. »Ich will dich nur schreien hören.«
»Dann werdet Ihr enttäuscht werden.«
»Abwarten«, sagte Herodes mit einem Lächeln. Er sah die Schweißperlen, die Balthasars Gesicht hinabliefen. Seine zitternden Finger. Vielleicht war es Erschöpfung, doch Herodes hielt es für wahrscheinlicher, dass der mächtige Geist von Antiochia insgeheim panische Angst verspürte.
»Du siehst jetzt schon verängstigt aus«, sagte Herodes.
»Und Ihr seht aus wie ein kranker Köter mit Roms Hundeleine um den Hals.«
Drüben an der Tür unterdrückte Pilatus nur mit Mühe ein Lachen. Hätte es selbst nicht besser formulieren können. Herodes starrte Balthasar einen Augenblick wütend an, dann lachte er. Wenn er so etwas gestern gehört hätte, hätte er sich vielleicht erzürnen lassen. Sogar verletzen. Doch das war, bevor sich alles verändert hatte. Bevor sein Körper und seine Zukunft aus der Asche emporgestiegen waren. Heute erkannte er Balthasars Worte als das, was sie waren: die verzweifelten Hiebe eines sterbenden Mannes.
Der Magier wählte sein Instrument – ein Skalpell – und trat vor. Balthasar machte sich auf das bereit, was kommen würde. Es gab einen Ort in seinem Innern. Einen Ort, an den er sich zurückziehen konnte. Einen Ort, an dem Abdi auf ihn wartete. An dem seine Mutter und Schwestern auf ihn warteten und ihn willkommen hießen. Und Sela. Sie war dort, ganz golden und ewig, begrüßte ihn leidenschaftlich, ihr Körper nackt in den Fluten des Orontes.
Pilatus blieb in der Nähe der Tür. Er hielt nicht viel von Folter und wollte beim Ausgang bleiben, falls ihm schlecht werden sollte. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass die Methode des Folterns lediglich Lügen hervorbrachte. Es geschah mehr zum Vergnügen des Folterknechts als zur Qual des Gefolterten.
»Nimm dir Zeit«, sagte Herodes, als der Magier dicht an Balthasar herantrat. Die Klinge glänzte im Fackelschein.
Es bestand kein Grund zur Eile. Die Öffentlichkeit hielt den Geist
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