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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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entwurzelt wurden, sodass darunter nur noch nackte und blutige Muskulatur übrig blieb. Pilatus hatte genug. Stillschweigend verließ er die Kammer und trat auf den Gang hinaus. Er konnte nicht anders, als eine Spur Mitleid mit dem armen Kerl zu haben.

Fortgerissen , dachte sie.
    Sela versteckte sich auf einer Klippe nördlich des Palastes. Die Wellen des Mittelmeeres schlugen nur wenige Meter von der Stelle auf, an der sie hinter zerklüfteten Felsen kauerte. Hinter ihr drängten sich Maria und Josef und bildeten mithilfe ihrer Gewänder ein behelfsmäßiges Zelt über dem Baby, auch wenn es nicht ausreichte, um sämtlichen Regen von ihm fernzuhalten. Trotz der Tropfen, die immer wieder auf seinem Kopf landeten, schlief das Baby, eingelullt vom Geräusch des Regens und der Wellen.
    Von einem Versteck aus hatten sie beobachtet, wie Balthasar überwältigt und bewusstlos geschlagen wurde. Wider besseres Wissen waren sie in einiger Entfernung gefolgt, während das Heer zum Sommerpalast des Herodes zog – und Balthasar mit sich schleifte. Sie hatten sich im starken Regen niedergekauert und mit angesehen, wie er hineingeführt wurde. Und hier blieben sie, zusammengedrängt in einem heftigen Regenguss, ein paar hundert Meter entfernt vom Anlegeplatz der halben römischen Marine.
    Fortgerissen …
    »Was können wir tun?«, fragte Maria. »Zwei Frauen und ein Zimmermann können es nicht mit dem römischen Heer aufnehmen.«
    Sela wusste, dass Maria recht hatte. Sie konnten nichts für ihn tun – sollten sie sich etwa umbringen lassen und dafür sorgen, dass Balthasars bevorstehender Tod sinnlos sein würde? Sie hatte ihm versprochen, die anderen nach Ägypten zu bringen, und genau das würde sie tun. Doch zuerst schuldete sie ihm einen Augenblick. Noch einen Augenblick, hier im Regen, einen Augenblick der Trauer darüber, was zwischen ihnen hätte sein können und dem, was tatsächlich war.
    Komisch, ihm so nahe zu kommen … nur damit er wieder fortgerissen wurde.
    Sela erwies der jämmerlichen Liebe ihres jämmerlichen Lebens die letzte Ehre, gedankenverloren im steten Rauschen von Regen und Meer. Ein Rauschen, das die Schritte der drei Männer übertönte, die von hinten angeschlichen kamen.

Herodes betrat sein Schlafgemach, das viel kleiner war als der riesige Raum in seinem »Vergnügungspalast« in Jerusalem, doch immerhin ein ansehnliches Quadrat mit neun Metern Seitenlänge. Weiches, von den Wolken gefiltertes Licht drang durch zwei Fensterscheiben an der dem Meer zugewandten Wand und warf einen schläfrigen Schein auf die Läufer, die sein übergroßes Bett und dessen Seidenkissen umgaben. Sein langer, frei stehender Silberspiegel lockte.
    Nachdem der Magier dem Geist von Antiochia zwei Fleischstreifen abgeschnitten hatte, schlug er eine kurze Unterbrechung der Folter vor. Es war wichtig, dem Opfer nach dem ersten großen Schock Zeit zur Erholung zu geben. Es war genauso wichtig, wenn nicht noch wichtiger , ihm falsche Hoffnung zu machen. Hoffnung, dass das Schlimmste hinter ihm lag, obwohl das Schlimmste noch nicht einmal begonnen hatte. Herodes hatte bereitwillig zugestimmt, zumal die Pause ihm Gelegenheit gab, seinem Schlafgemach und dessen silbernem Wunder einen Besuch abzustatten.
    Herodes ging nicht das geringste Risiko ein, was seinen Gefangenen betraf. Der Geist von Antiochia hatte sich als zu schlau und aalglatt für seine judäischen Wachen erwiesen. Obwohl er gefesselt und schwach war, war ihm nicht zu trauen. Bevor Herodes die Folter vertagte, hatte er zwei römischen Soldaten befohlen, stets bei ihm in der Zelle zu bleiben. Nein, er ging kein Risiko ein. Nicht wenn der hebräische Gott die Finger mit im Spiel hatte. Nicht wenn gerade alles wie am Schnürchen lief.
    Herodes stand vor dem Spiegel und zog sich aus. Er wollte jeden Teil von sich betrachten, wollte die Geschwindigkeit bewundern, mit der die Heilung voranschritt. Seine Wunden waren so gut wie verschwunden. Das kränkliche Fleisch, das sich straff über seinem skelettartigen Brustkorb gespannt hatte, war jetzt voll und gesund. Sogar seine Zähne, jene schwarzen, krummen kleinen Geier, waren weißer geworden. Ein Wunder.
    Es war ein wenig merkwürdig, dass ihm noch keine seiner Kurtisanen zu seinem Erscheinungsbild gratuliert hatte. Sie haben wahrscheinlich Angst, vorschnell zu handeln. Oder vielleicht haben sie Angst, mein Aussehen überhaupt zu erwähnen. Bei dem Gedanken lächelte er. Ich kann es ihnen nicht verübeln. Es ist seit

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