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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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Steinboden fiel, dem Knacken des Lehmofens und seiner erstickenden Hitze. Balthasar hing schlaff an dem Holzbalken und versuchte, nicht an die quälenden Schmerzen zu denken, die von den beiden Streifen offen gelegter Muskulatur an seinen Seiten ausstrahlten. Schon der kleinste Luftzug verursachte ihm heftige Pein, sodass sich sein Körper verspannte und es ihm den Atem verschlug.
    Er blickte durch nasse Haarsträhnen auf. Der Raum war leer, abgesehen von zwei römischen Wächtern, die zu beiden Seiten der Tür aufgestellt waren. Seine Folterknechte hatten sich zurückgezogen. Anscheinend ist es Schwerstarbeit, einem Mann beim Leiden zuzusehen. Wasser tropfte stetig von der Decke, sickerte durch den gesprungenen Mörtel zwischen den Steinen, wo es sich der Schwerkraft zum Trotz festklammerte, bis der einzelne Tropfen groß genug war, um zu fallen. Manche Tropfen rannen das Seil herunter, an dem er mit den Handgelenken hing. Manche fielen auf Balthasar, liefen seinen Körper entlang, vermischten sich mit dem Blut auf seiner Haut und halfen diesem auf dem Weg zum Boden hinunter, wo sich allmählich Pfützen bildeten.
    Balthasar konnte kaum klar sehen – dank der herabrinnenden Regentropfen und der ungewollten Tränen, die flossen, wenn die Wogen aus Schmerz in ihm aufbrandeten. Er hörte, wie die Zellentür mit einem Knarzen aufging, und sah den gespenstischen weißen Umriss eines eintretenden großen Mannes.
    »Hier ist er also«, sagte der Mann, nahm seinen Umhang ab und reichte ihn einer Wache. »Hier ist der große ›Geist von Antiochia‹ höchstpersönlich. Ich musste einfach herkommen und ihn mir mit eigenen Augen ansehen.«
    Er war schon älter, ergraut, allerdings immer noch mit aufrechter Haltung und muskulösem Körper. Er war irgendein Offizier, vielleicht ein General. Ein Berufssoldat am Ende seiner aktiven Dienstzeit.
    »Ich war vor geraumer Zeit in Antiochia stationiert«, sagte er und trat näher. »Ehrlich gesagt ein Drecksloch. Und, bitte, nimm es mir nicht übel.«
    Bald würde sich die leicht gekrümmte Haltung einstellen, die Muskulatur würde verkümmern. Danach würde er mit alarmierender Geschwindigkeit an Gewicht verlieren, dunkle Flecke würden auf seinen Handrücken erscheinen, und er würde sich mithilfe eines Spazierstocks die letzten winterhaften Schritte aufs Grab zuschleppen. Aber noch nicht. In diesem Mann steckte immer noch Kraft. Das sah Balthasar ihm an, allein schon aufgrund der Körperhaltung.
    »Der Fluss, die Kolonnadenstraße … das Forum. Antiochia hatte seinen Liebreiz.«
    Unter seinem Kinn befand sich etwas Glänzendes und Goldenes. Etwas, das den Fackelschien auffing und in sämtliche Richtungen zurückwarf.
    »Es ist nur … so schön es auch war, ich kam nie über die Menschen hinweg. Sie erinnerten mich an … Ratten. Diebische kleine Ratten.«
    Jegliche Kraft, die Balthasar geblieben war, entwich auf einen Schlag. Sein Atem stockte, und Balthasar war am ganzen Körper wie gelähmt.
    Es war ein Anhänger.
    Abdis Anhänger.

Sela wusste nicht, wem das Messer gehörte. Sie wusste nur, dass es gefährlich schmerzhaft an ihre Kehle gedrückt wurde.
    »Auf die Beine, und zwar langsam«, sagte die Stimme. »Wenn du auch nur zuckst, schneide ich dir die Kehle durch.«
    Sie stand auf, sich selbst verfluchend, weil sie sich einfach so hatte überrumpeln lassen. Sich verfluchend, weil sie so lange geblieben war, dass sie überhaupt erst überrumpelt werden konnte. Sie hatten die Freiheit in Händen gehalten, aber jetzt waren sie alle tot. Fortgerissen. Und wofür? Für einen Augenblick törichter Sentimentalität. Sie hätte die anderen niemals hierherführen dürfen. Sie hätte tun sollen, was sie Balthasar versprochen hatte, und sie auf schnellstem Weg nach Ägypten bringen. »Schau nicht zurück!«, hatte er ihr gesagt.
    Sie stand jetzt aufrecht da, konnte jedoch immer noch nicht den Mann sehen, der ihr das Messer an die Kehle hielt. Aus dem rechten Augenwinkel beobachtete sie, wie Maria und Josef gezwungen wurden, auf die gleiche Art aufzustehen, Messer an den Kehlen – Josef hatte die Hände hoch über dem Kopf erhoben, Maria hielt das Baby unter ihrem Gewand und murmelte wieder und wieder: »Nein, nein, nein.«
    Nein , dachte Sela. Nicht so. Sie hatten Balthasar erwischt. Sie hatten Abdi erwischt. Sie konnten Maria und Josef haben, das war ihr im Grunde egal. Und sie konnten sie selbst haben. Doch das Baby würden sie nicht bekommen.
    Auf keinen Fall.
    Sie explodierte,

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