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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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Geschwister. Genau wie er hatten sie ursprünglich mit Taschendiebstählen auf dem Forum angefangen. Wie er liefen sie ständig Gefahr, wiedererkannt zu werden. Sie waren an einem Punkt, an dem sie mehr als nur ein paar Münzen brauchten, um über die Runden zu kommen. Und so waren sie auf eine andere Methode verfallen. Und dafür waren sie getötet worden. Von den Römern erhängt und in einen Graben jenseits des Orontes geworfen.
    Und das hatte ihn erst auf die Idee gebracht.
    Jeden Tag wurden Männer von den Römern aus allen möglichen Gründen – manchmal auch völlig grundlos – zusammengetrieben und umgebracht. Jeden Tag wurden ihre Leichen zu einem nicht gekennzeichneten Feld am anderen Ufer des Orontes geschafft und vergraben. Und zusammen mit ihren Leichen ihre Ringe und Armbänder und Ketten. Dennoch fiel es den Römern nie ein, diesen Schmuck an sich zu nehmen. Und warum nicht? Wegen der einen Sache, die die Griechen, Mazedonier, Römer, Inder, Chinesen und selbst seine syrischen Landsleute gemein hatten: Religion . Sie waren alle abergläubisch. Litten an einem Massenwahn, an einer hysterischen Obsession für Kniebeugen, rituelle Opfer und alte Schriften. Noch nicht einmal die Römer, trotz all ihrer imperialen Brutalität, würden es wagen, eine Leiche zu schänden. Doch Religion war kein hysterischer Wahn, an dem Balthasar litt.
    Hatte er noch nie. Nicht, weil er nicht damit groß geworden wäre. Sein Vater hatte, wie die meisten Syrer, die alten heidnischen Götter verehrt. Und seine Mutter war zwar nicht offenkundig religiös, dafür aber eine der abergläubischsten Frauen auf der ganzen Welt. Balthasar hatte einfach nie einen Verwendungszweck dafür gesehen. Es war ihm wichtiger, seine Familie zu ernähren, als sich zu Füßen einer Statue niederzuwerfen, ihm war das Morgen wichtiger als die Phrasendrescherei eines Propheten, der tausend Jahre vor seiner Geburt gelebt hatte. Noch dazu ein Prophet, der noch nie von Rom oder Herodes gehört hatte. Balthasar fand nichts Abscheuliches dabei, bestimmte Nahrungsmittel an bestimmten Tagen zu verzehren oder diese Art von Kopfbedeckung anstatt von jener zu tragen oder sogar – Gott bewahre – überhaupt keine Kopfbedeckung. Solche religiösen Überzeugungen steckten einen in einen Käfig.
    Und Balthasar würde sich befreien.

Er wartete, nass und allein im Dunkeln auf dem Bauch liegend. Im Osten tanzten die Lichter der Stadt auf der Oberfläche des Orontes. Im Westen war nichts als Wüste. Balthasar hatte sich dazu entschieden, die Brücke zu meiden und hinüberzuschwimmen. Man wusste nie, wann man einer römischen Patrouille über den Weg lief. Und er bezahlte für diese Vorsicht, indem er in der kalten Wüstenluft zitterte.
    Auf dieser Seite des Flusses war er erst selten gewesen. Es gab nicht viel zu sehen außer ein paar Einsiedlern und Feldern voller verscharrter Leichen.
    Eines dieser Felder betrachtete er in diesem Moment aus einiger Entfernung. Er sah zu, wie vier Sklaven die Opfer des Tages begruben, beaufsichtigt von einem einzigen römischen Soldaten. Zwei von ihnen hoben mithilfe von Schaufeln einen knietiefen Graben aus, ein anderer brachte Leichen von einem Karren und legte sie hinein, und der Vierte schüttete das Ganze wieder zu.
    Balthasar hatte keiner Menschenseele von seinem Plan erzählt. Niemand durfte es erfahren – nicht seine ältesten, getreuesten Freunde aus dem Elendsviertel. Nicht seine Komplizen vom Forum. Niemand . Taschendiebstahl war eine Sache. Selbst Morde waren verzeihlich. Aber das hier …
    Er rührte am Undenkbaren.
    Balthasar grub mit bloßen Händen. Es hatte noch eine jämmerliche, durchzitterte Stunde gedauert, doch endlich waren die Sklaven und ihre Karre verschwunden, und der Soldat mit ihnen. Jetzt war nur noch er da, allein auf einem Feld voller Leichen, und kniete in finsterer Nacht über einem frischen Grab. Beim Buddeln ermahnte Balthasar sich immer wieder zu atmen. Sich zu entspannen . Aberglaube war für die Schwachsinnigen, nicht wahr? Natürlich. Er ermahnte sich, an die Beute zu denken. All das Gold und Silber unter dieser lockeren Er…
    Bewegte sich da etwas?
    Er hätte schwören können, dass da unter der Erde etwas an seinen Fingern vorbeigestrichen war …
    Nein, da »bewegte« sich nichts. Es »bewegte« sich nichts, weil sich tote Dinge nicht be…
    Eine Hand kam durch die Erde geschossen und packte Balthasars Hals. Dann noch eine, unnatürlich stark, und drückte ihm die Luftröhre zu. Sie

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