Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)
, habe ich gesagt!« Balthasar hob den Kopf und starrte sie an, diesmal mit einem Blick, der ganz offensichtlich als Warnung gemeint war.
Überzeugt, dass sie verstanden hatte, rollte Balthasar sich wieder auf die Seite und schloss die Augen.
Ihnen blieb nichts anderes übrig, als ein paar Stunden zu schlafen und zu hoffen, dass sie nicht von Pferdegetrappel geweckt würden.
Die nächsten drei Stunden schliefen drei Weise in einem überfüllten Stall neben ihrem Gold und Weihrauch, die Verletzungen mit Myrrhe verarztet, Josef, Maria und das Neugeborene ihnen gegenüber. Schweigend.
Alle unter dem Stern von Bethlehem.
»Als Herodes merkte, dass man ihn … getäuscht hatte, wurde er sehr zornig, und er ließ in Bethlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten.«
– Matthäus 2,16
Die diebischen Weisen erhoben sich vor dem Morgengrauen, machten ihre Kamele los und führten sie in die eisige Kälte. Der Himmel erwachte gerade und zeigte die ersten Spuren eines tiefdunklen Blaus, doch die Sonne würde sich noch eine gute halbe Stunde hinter den Hügeln im Osten verstecken. Zwischen den dunklen Umrissen der Wolken waren immer noch deutlich die Sterne zu sehen. Doch nicht der Stern von Bethlehem. Irgendwann im Laufe der letzten paar Stunden war er einfach verschwunden. Vom Wüstenwind ausgelöscht. Das überraschte Balthasar nicht. Etwas derart Helles brennt nicht sehr lang.
Maria und Josef hatten keinen Ton gesagt, als die Männer erwachten, hatten ihnen noch nicht einmal nachgesehen, selbst als Melchyor ihnen auf seine leutselig-dümmliche Art Lebewohl gewünscht hatte. Balthasar verübelte ihnen den Mangel an Höflichkeit nicht. Im Laufe der letzten ereignisreichen Stunden hatten sie es fertiggebracht, den Zimmermann blutig zu schlagen, die Ehre seiner Frau zu verletzen, sie als Geiseln zu nehmen und alles, woran sie glaubten, als Witz abzutun. Wie dem auch sei, er war froh, sie los zu sein. Sollten sie doch einem anderen etwas von ihren paranoiden Hirngespinsten vorbrabbeln.
Die Weisen stiegen auf ihre Kamele und sahen Richtung Süden nach Bethlehem. Das Dorf war bereits zum Leben erwacht, Rauch stieg von Kochstellen und Lehmöfen empor, junge Mädchen schüttelten auf den Straßen den Staub aus Schlafmatten. Die Schäfer waren vor den ersten blauen Spuren am Himmel aufgestanden und hatten mit ihren Söhnen im Schlepptau ihre Herden auf die Weiden getrieben. Die Frauen waren aufgestanden, um für sie zu kochen. Und nun, da die Männer den Tag über fort waren, erledigten sie und ihre Töchter die Hausarbeit und kümmerten sich um die jüngeren Kinder, die noch zu klein waren, um mitzuhelfen.
Es war ein Dorf, das fast ausschließlich der Ziegenhaltung gewidmet war, doch nicht alle Männer von Bethlehem waren Hirten. Ein paar von ihnen führten ihre kleinen Herden die Straße entlang, die am Stall der Weisen vorüberführte, nach Norden. Zweifellos waren sie auf dem Weg nach Jerusalem, um ihre Tiere zum Verzehr oder als Opfertiere im Großen Tempel zu verkaufen. Trieben barfuß ihre Ziegen die Straße hinauf und hinunter, jeweils fünf Meilen hin und zurück. Einen erbärmlichen Tag nach dem anderen. Vor Sonnenaufgang auf den Beinen, nach Einbruch der Dunkelheit wieder zu Hause. Alles in der Hoffnung, ein einziges stinkendes Tier zu verkaufen. Alles in der Hoffnung, genug zu verdienen, damit ihre Kinder ein paar Brotkrusten in den Magen bekamen. Wenn das Leben so hart war, war jeder, der seinen Lebensunterhalt nicht durch Diebstahl bestritt, verrückt.
Es war ungewöhnlich, drei Edelleute zu so früher Stunde reiten zu sehen, allerdings nicht merkwürdig genug, als dass die Ziegentreiber, an denen sie auf der Straße nach Jerusalem vorüberkamen, ein zweites Mal hingesehen hätten. Es war ohnehin das Beste, Edelleute nicht zu lange anzustarren. Es bestand immer die Möglichkeit, dass sie Anstoß nahmen und einen auspeitschen ließen oder Schlimmeres.
Obwohl die Weisen sich so weit wie möglich von Herodes entfernen wollten, befanden sie sich wieder auf dem Weg zu seinem Palast. Der Plan lautete, die Straße in Richtung Norden nach Jerusalem zu nehmen und dann, etwa eine Meile vor dem Südtor, scharf rechts abzubiegen und fünfzehn Meilen durch die Wüste nach Qumran im Osten zu reiten – einer winzigen Siedlung an der Küste des Toten Meeres.
In Qumran hauste eine kleine Sekte jüdischer Mönche, die sich Essäer nannten. Doch während das Wort Mönch an reine, stille
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