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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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Süden geritten kamen und eine dunkle Staubwolke hinter sich aufwirbelten. Den Männern, von denen sie gleich in Stücke gerissen werden würden.
    »Noch nicht«, sagte Balthasar. »Keiner ergreift jetzt schon die Flucht. Erst wenn sie uns sehen …«
    Natürlich würden sie sie sehen. Sie befanden sich kaum fünfzehn Meter von der Straße entfernt, und ihre Silhouetten zeichneten sich vor dem Himmel im Osten ab, der von einer Minute zur anderen heller wurde.
    Achtet nicht auf uns , dachte Balthasar. Wir sind bloß drei Weise, die völlig grundlos eine dunkle Straße entlangreiten …
    Das Heer galoppierte links an ihnen vorüber. Zweifellos waren die Soldaten so nahe, dass sie die Gestalten der Weisen erkennen konnten, ganz ohne Frage drehten sich ein paar Soldatenhelme in ihre Richtung – ihre Augen richteten sich auf sie wie Pfeile auf einem gespannten Bogen. Balthasar hielt die Zügel fest gepackt, sein rechtes Bein bereit, dem Kamel rasch in die Flanke zu treten, sobald das erste Pferd in seine Richtung bog.
    Doch niemand bog ab. Alle ritten weiter nach Süden in Richtung Bethlehem. Balthasar konnte es nicht fassen. Die Soldaten hatten sie gesehen, da war er sich sicher. Sie hatten drei Weise gesehen, die zu merkwürdiger Stunde auf der Straße ritten, doch sie hatten nicht angehalten, um sie zur Rede zu stellen.
    Als das Donnern der Hufe vorüberhallte und hinter ihnen immer schwächer wurde, hielten die Weisen an und lenkten ihre Kamele gen Süden. Ungläubig und schweigend beobachteten sie, wie jener dunkle, staubige Haufen aus Pferden und Männern, dieses Ungeheuer, die Straße entlangkroch, auf den Rauch von Kochstellen und Lehmöfen in der Ferne zu.
    »Ich begreife das nicht«, sagte Balthasar.
    »Was gibt es da zu begreifen?«, fragte Caspar. »Das Schicksal meint es gut mit uns!«
    »Aber … sie haben uns gesehen.«
    »Das können wir auf dem Weg nach Qumran besprechen! Reiten wir los, jetzt!«
    Balthasar sah dem Ungeheuer nach, das sich auf das nördliche Bethlehem zuschlängelte, während der dunkelblaue Himmel mit jeder Sekunde heller wurde. Aus irgendeinem Grund hörte er die matte, raue Stimme des Herodes in seinem Schädel. Er schrie seine Berater so wütend an, dass die Mauern seines Thronsaals erbebten.
    »Balthasar – nach Qumran, schnell!«
    Caspar hatte recht. Was gab es da zu begreifen? Sie hatten Glück gehabt, das war alles. Sie konnten hier herumsitzen und sich fragen, weshalb, oder sie konnten die Gelegenheit beim Schopfe packen. Die Weisen lenkten ihre Kamele nach Norden und ritten auf ihre Freiheit zu, während noch jene heisere Stimme in Balthasars Hirn widerhallte – tief unten in seinem Gehirn, in dem Kerker mit seinen glatten Wänden und Eisengittern, in den alle schlimmen Dinge gehörten. Er wusste, dass man sie bemerkt hatte. Er hatte jene Blicke auf sich gespürt. Blicke wie Pfeile …
    Sie waren erst ein paar Meter weit gekommen, da hörten sie etwas. Etwas Fernes und Schrilles. Etwas, das man beinahe für das Heulen eines wilden Hundes hätte halten können. Doch es war ein Schrei. Der Schrei einer Frau. Dann noch einer.
    Die Weisen drehten sich um und betrachteten die leere Straße. Sämtliche Spuren des Ungeheuers waren verschwunden. Es war von dem Dorf aufgesogen worden. Aufgesogen wie Blut von einem Tuch. Und irgendwo unter dem Rauch von Kochstellen und Lehmöfen brachte es eine Frau zum Schreien.
    »Balthasar … du glaubst doch nicht …«
    Ob ich glaube, dass der Zimmermann und seine Frau recht hatten?
    Herodes war vieles, aber der Mörder neugeborener Kinder? Nein. Dazu war kein Mann fähig. Nicht einmal das entstellte, verfallene Männchen, dem er im Palast persönlich gegenübergetreten war. Und selbst wenn Herodes dazu fähig sein sollte, war er zu klug dafür. Es würde Aufstände in den Straßen geben, falls es sich herumsprach. Einen Bürgerkrieg. Herodes war vieles, aber an erster Stelle war er Politiker. Er würde sich hüten.
    Doch die Stimme … diese Stimme, die heiser in den Tiefen von Balthasars Hirn tobte, sagte ihm etwas anderes.
    »Wir kehren um«, sagte er.
    »Bist du verrückt?«
    »Ich will es mir bloß einmal ansehen, das ist alles.«
    »Das judäische Heer ist auf der Suche nach uns, und du willst nachsehen, ob …«
    »Sie haben uns bemerkt, Caspar. Sie haben uns bemerkt und hatten kein Interesse an uns.«
    »Na und?«
    »Sie hätten aber Interesse zeigen sollen. Drei Männer auf Kamelen? Drei Männer mit verdeckten Gesichtern? Sie hätten

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