Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
Vom Netzwerk:
Ehrfurcht denken ließ, ähnelten die Essäer eher verrückten Einsiedlern – Männer, die materiellen Wohlstand, Wollust und regelmäßige Bäder mieden, um sich ganz ihrem Glauben hinzugeben. In Balthasars Augen lief dieser Glaube darauf hinaus, dass sie uralten Unsinn auf Schriftrollen kritzelten und diese Schriftrollen dann in den Höhlen versteckten, die in den Bergen um das nördliche Tote Meer verstreut lagen. Weshalb sie sie versteckten oder vor wem, blieb ein Geheimnis.
    Balthasar hatte etliche Male in diesen Höhlen Zuflucht gesucht, und er hatte den Mönchen für ihre Gastfreundschaft ein paar stattliche Spenden zukommen lassen. Zwar lag ihnen nicht viel an materiellem Wohlstand, aber sie liebten die Dinge, die sich damit kaufen ließen: Teppiche für ihre Böden, Kleidung für ihre Leiber, Pergament und Tinte für ihre geheimnisvollen Grübeleien. Balthasar kannte viele der Essäer persönlich. Außerdem konnte er sich darauf verlassen, dass sie seinen Aufenthaltsort nicht verraten würden. Am wichtigsten war jedoch, dass die Männer des Herodes es nicht wagen würden, eine so heilige jüdische Siedlung zu stören. Das war einer der großen Vorzüge des judäischen Heeres: Es bestand fast ausschließlich aus Juden.
    Sobald ihre Spur erkaltet war, würde Balthasar sich von seinen treuen Dienern lossagen und mit den sieben Winden verschwinden. Er mochte Reisegefährten nicht. Das war einer der Gründe, weshalb er nie mit Partnern zusammenarbeitete: Man konnte sich nicht darauf verlassen, dass die Partner stets und ohne Ausnahme das Richtige taten. Sie hielten einen auf. Sie waren anderer Meinung. Wenn man ihre Dienste bei einem Taschendiebstahl in Anspruch nahm, vermasselten sie es, Wein über die Opfer zu verschütten, sodass man quer über Aquädukte verfolgt wurde. Komplizen waren schlecht, selbst wenn sie einem etwas schuldeten.
    Die drei Weisen befanden sich weniger als eine Meile vor Bethlehem, als sie die ersten Anzeichen von Schwierigkeiten vernahmen. Leises Donnern drang aus dem Halbdunkel vor ihnen. Ein anschwellendes Donnern wie Hufgetrappel auf dem Boden. Gleichzeitig hallte immer lauter das Klirren von Rüstungen durch die Luft.
    »Was ist das?«, fragte Caspar.
    Balthasar wusste es sofort. Noch bevor er die ersten Gestalten auf dem Hügel vor ihnen erblickte, bevor er die Umrisse von Schwertern und Speeren auf der Straße vor dem blassen Wüstenhimmel sah, wusste er es. Sie waren erledigt.
    Die Soldaten des Herodes galoppierten in südlicher Richtung auf Bethlehem zu. Dem Lärm nach zu schließen handelte es sich um Dutzende. Ohne große Diskussion lenkten Balthasar, Caspar und Melchyor ihre Kamele von der Straße in die Wüste zu ihrer Rechten, um den herannahenden Reitern Platz zu machen. Sie bedeckten sich die Gesichter mit ihren Kufijas – eine sinnlose Instinkthandlung, wie Balthasar sehr wohl wusste.
    Als wäre der Anblick von drei Weisen, die neben der Straße herreiten, nicht verdächtig genug. Als könnte jemand bei diesem Licht unsere Gesichter erkennen.
    »Was machen wir?«, fragte Caspar. »Es müssen hundert sein. Wir haben keine Waffen.«
    Auf einmal erkannte Balthasar, wie töricht es von ihnen gewesen war, zusammenzubleiben. Die Soldaten waren auf der Suche nach drei Männern, und hier waren sie – zu dritt. Es war dumm gewesen, in Bethlehem Halt zu machen. Es befand sich zu nahe bei der Stadt. Sie hätten in die Wüste reiten sollen. Ja, durch diesen Stern war die Nacht beinahe so hell wie der Tag gewesen, doch es gab viel mehr Wüste als Dörfer zu durchsuchen.
    Warum hatte er daran nicht gedacht? Warum waren sie nicht weitergeritten? Weil sie müde gewesen waren? War müde zu sein schlimmer als tot?
    »Balthasar, was machen wir?«
    Wenn sie jetzt die Flucht ergriffen, würden sie ganz bestimmt die Aufmerksamkeit des Heeres erregen. Wegzulaufen war ein Schuldgeständnis, geradezu eine Einladung zur Verfolgung. Die einzige Chance, die sie hatten – und sie war lächerlich gering –, bestand darin, dass die Soldaten sie noch nicht entdeckt hatten. Dass man sie in der relativen Dunkelheit der Morgendämmerung verfehlen würde.
    »Weiterreiten.«
    »Aber …«
    »Wenn sie uns sehen, flüchten wir in verschiedene Richtungen. Verstanden? Bringen wir sie dazu, sich aufzuteilen, und versuchen wir, sie in der Wüste abzuhängen. Melchyor? Hast du verstanden?«
    »Sie in der Wüste abhängen …«
    Er hörte nicht zu. Seine Konzentration galt den Männern in Rüstung, die gen

Weitere Kostenlose Bücher