Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)
bestimmt ausgesetzt hatte. Jetzt würde er sie an den Handgelenken fesseln müssen. Sie knebeln.
Es gab kein Zurück mehr. Es war entschieden. Balthasar wartete darauf, dass die vertraute naive Ehrfurcht über ihre Gesichter huschte … und wartete so lange, bis ihm klar wurde, dass Josef und Maria keine Ahnung hatten, wer oder was der Geist von Antiochia war.
Das ärgerte ihn noch mehr. Alles ärgerte ihn: sein schmerzender Kopf, sein erschöpfter Körper, das Meckern der Ziegen in den Boxen hinter ihnen – alles.
»Ich ziehe hierhin und dorthin«, sagte er schließlich, »und entwende den Römern und denjenigen, die ihnen dienen, was ich kann, und verschwinde dann. Manche Menschen nennen mich deshalb den Geist von Antiochia.«
»Also … bist du ein Dieb«, sagte Maria.
»Nicht bloß ein Dieb«, sagte Caspar. »Der beste Dieb, der jemals gelebt hat.«
Balthasar gestattete sich insgeheim ein klein wenig Stolz. Natürlich ließ es sich nicht sagen, ob er »der beste Dieb, der jemals gelebt hat«, war. Doch gleichzeitig ließ sich auch nicht beweisen, dass er es nicht war. So oder so, war es schön, Anerkennung zu finden.
»Ob er nun der Beste ist oder nicht, ist gleichgültig«, sagte Josef durch seine zusammengezwickte Nase. »Diebstahl ist eine Sünde.«
»Wirklich?«, fragte Balthasar. »Und zu versuchen, drei unbewaffnete Männer mit einer Mistgabel umzubringen – ist das keine Sünde?«
Josef sah zu der Waffe in Caspars Hand hinüber. Vor dieser Nacht hatte er noch nicht einmal die Faust im Zorn erhoben. Es lag nicht in seiner Natur. Er wandte den Blick ab. Auf einmal ängstigte es ihn, wie nah er davorgestanden hatte, die Sünde des Mordes zu begehen.
»Ich habe gedacht, ihr seid die Männer des Herodes.«
Balthasar und Caspar warfen sich einen Blick zu. Am liebsten hätten sie über die Ironie gelacht, dass jemand sie für die Männer des Herodes hielt. Doch da war dieser eiskalte Schauer, der ihnen den Rücken hinunterlief. Wie viel wussten diese Leute tatsächlich?
»Wieso? Sind die Männer des Herodes denn auf der Suche nach euch?«, fragte Caspar.
»Nicht nach uns«, sagte Josef. »Nach dem Kind, das in der Stadt Davids geboren wurde … dasjenige, das die Propheten den Messias nennen.«
Auf einmal befand sich Balthasar wieder auf der steinernen Bank vor dem Thronsaal des Herodes, umgeben von den Soldaten, die ihn durch die Wüste verfolgt hatten. Lauschte dem heiseren Geschrei des Königs durch die Tür. Etwas von »Prophezeiungen«. Etwas über die »sich erhebenden Toten« und »Seuchen« und einen »Messias«. Doch so frisch die Erinnerung auch war, war sie dennoch vage. Zu dem Zeitpunkt war er mit den Gedanken woanders gewesen. Nämlich bei seinem bevorstehenden Tod und der Frage, wie sich dieser vermeiden ließe.
»Das ist sehr interessant«, sagte er schließlich, »aber was hat das mit euch zu tun?«
Jetzt war es an Maria und Josef, sich einen Blick zuzuwerfen. Sollten sie es ihm erzählen? Sie kannten diese Männer nicht, die aus freien Stücken zugegeben hatten, Verbrecher zu sein. Andererseits … war es ziemlich unwahrscheinlich, dass eine Verbrecherbande zu Herodes laufen würde.
»Es fing vor unserer Hochzeit an«, sagte Josef.
Er erklärte das Ganze so ernst und klar, wie er konnte. Er erzählte ihnen, wie der Erzengel Gabriel Maria in einem Traum besucht hatte. Wie Maria schwanger geworden war, obwohl sie nicht zusammen gewesen waren, und die Botschaft, dass Gottes Sohn in ihrem Schoß heranwachse. Er erzählte ihnen von seinen eigenen Visionen, einschließlich der jüngsten – derjenigen, die er erst letzte Nacht gehabt hatte. Derjenigen, in welcher der Engel Gabriel Josef warnte, dass Herodes sämtliche neugeborenen Jungen in Bethlehem ermorden lassen würde. Maria und er hatten sich eben zur Flucht bereit gemacht, als Balthasar und die anderen hereingestürmt kamen.
Als Josef seine Geschichte zu Ende erzählt hatte, saßen die sechs schweigend da. Die Weisen verarbeiteten schweigend, was sie eben gehört hatten. Das Baby schlief, seine Brust hob und senkte sich in Marias Armen. Nur gelegentlich ertönte Ziegengemecker im Stall.
»Und du glaubst das alles wirklich?«, fragte Balthasar. »Ihr glaubt, euer Sohn ist …«
»Gottes Sohn«, sagte Josef.
»Und dass der König von Judäa Soldaten herschickt, um … ein Baby … umzubringen?«
»Natürlich glaube ich es«, sagte Josef.
»Du findest nicht, dass es ein bisschen verdächtig ist?«
»Verdächtig?«
Es war
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