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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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Kupferschlange, die auf seinem Wanderstab saß.
    » Nehushtan …«, flüsterte er.
    Für die Römer war es nichts als ein fremdartiges Wort. Sie kannten weder die Schlange aus der Heiligen Schrift, noch wussten sie, dass die kupferne Schlange vor ihnen – die Nehushtan – von Mose persönlich angefertigt worden war. Zur Zierde des Wanderstabs, den er benutzt hatte, um sein Volk durch die Wüste zu führen. Es war eine unsagbar alte und mächtige Reliquie. Wie der Magier in ihren Besitz gekommen war, war ein Geheimnis.
    Er hob die Schüssel an die Lippen und trank einen Schluck von dem Lammblut. Dann ging er auf den Scheiterhaufen zu seiner Rechten zu, so dicht an die Flammen, dass sich sein Gewand in der erhitzten Luft blähte. Er hielt den Stab vor sich, bis die Schlange vollständig von Feuer umhüllt war. Das Lammblut darauf wurde schwarz und verbrannte. Der Magier sang vor sich hin, in immer schnelleren Worten, während Pilatus und dessen Soldaten von der Seite des Altars aus zusahen.
    Hatte sich die Schlange eben … bewegt?
    Zuerst hielten die Männer es für eine optische Täuschung. Bis sich die kupferne Schlange zu ihrer Verblüffung um den Arm des Magiers wand. Entsetzt über diesen Anblick verließen ein paar einfache Soldaten die Reihen und ergriffen die Flucht. Welche dunkle Macht ist das? Welche Götter sind da am Werk? Doch Pilatus wich nicht von der Stelle, selbst als Nehushtan sich am Körper des Magiers nach unten auf den Wüstenboden schlängelte. Er wusste nicht, wie es möglich war. Es war ihm egal. Er wusste nur, dass er seinem Ziel einen Schritt näher gekommen war.
    Der Magier stand mit geschlossenen Augen vor dem Altar und sagte immer wieder einen uralten Zauberspruch auf, um das Tier zu leiten, während es sich in die Wüste schlängelte …
    Auf der Jagd.
    Balthasar saß am Ausgang einer hoffnungslos überfüllten Höhle und hielt Wache vor der sich endlos ausdehnenden Wüste. Die anderen schliefen hinter ihm. Mit einer Ausnahme.
    »Schlaf ein wenig«, sagte Josef, der sich zu ihm gesellte. »Es ist wichtiger, dass du ausgeruht bist und nicht ich. Ich kann eine Zeit lang Ausschau halten.«
    Balthasar betrachtete den schwachen, mondbeschienenen Umriss von Josefs Gesicht. Das junge, bärtige Gesicht eines ländlichen Handwerkers. Sie waren etwa gleich alt, doch sie hätten unterschiedlicher nicht sein können.
    »Ich bleibe«, sagte Balthasar. »Nichts für ungut, aber ich würde nicht schlafen können in dem Wissen, dass du Wache schiebst.«
    Lächelnd ließ sich Josef neben ihm nieder.
    »Du hältst mich für schwach.«
    »Ich halte dich für naiv.«
    »Und was habe ich getan, dass du das denkst?«
    »Du glaubst an das Unmögliche.«
    Ach … wieder einmal das. Der Mann, der andere verhöhnt, weil sie an das Wort Gottes glauben.
    »Ich bin also naiv, weil ich an die Heilige Schrift glaube?«
    »Nein … du bist naiv, weil du ihr glaubst.«
    Josef brauchte einen Moment, um Balthasars Worte zu entwirren und zu begreifen, was er meinte. Als er es tat, verdüsterte sich sein Gesicht, und seine Gedanken kehrten zu den schwierigsten Tagen seines Lebens zurück. Zu der Zeit in Nazareth, als sein Glück zerstört und sein Glaube bis an die Grenzen geprüft worden war. Und alles nur, weil seine junge zukünftige Braut unter Tränen mit einem Geständnis zu ihm gekommen war.
    »Ich habe es übrigens nicht getan«, sagte Josef schließlich.
    »Was nicht getan?«
    »Ihr geglaubt. Jedenfalls nicht, als sie mir zum ersten Mal davon erzählte. Natürlich wollte ich. Unbedingt. Aber …«
    »Aber?«
    »Ich bin ein geduldiger Mensch, aber so etwas zu glauben … wie du schon sagtest … es war unmöglich.«
    »Was hat sie dir erzählt?«
    Josef überlegte kurz. Was hatte sie gleich noch einmal gesagt?
    »Sie hat mir gesagt«, meinte Josef, »sie sei vom Geflüster eines Mannes erwacht.«
    »Kein vielversprechender Anfang.«
    »Sie sagte mir, sie sei der Stimme nach draußen gefolgt, wo sie feststellte, dass die Nacht taghell geworden war. Und dennoch waren die Straßen von Nazareth menschenleer. Alles war ruhig. Kein Rascheln von Olivenbäumen oder Vogelgezwitscher.«
    »Ein Traum.«
    »Aber so real wie ein Traum nur sein kann. So real wie wir beide, die wir hier vor dieser Höhle sitzen. Maria erzählte mir, dass sie einen Mann gesehen habe, der auf sie zugekommen sei. Ein schimmernder, strahlender Mann, der aus der Sonne selbst zu steigen schien und auf sie zugelaufen kam. Ein Mann, nicht von dieser

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