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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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schlafen möchtest.«
    Damit entschuldigte er sich und zog sich wieder in die überfüllte Höhle zurück – und verschwand in der Dunkelheit. Baltasar spielte mit dem Gedanken, ihn zu sich zu rufen. Ihn in seiner Nähe zu behalten, um ihn noch ein wenig wegen seiner Dummheit aufzuziehen. Doch was nützte das? Nein … sollte der kleine Mann doch in seinem kleinen Wahn leben. Es war der Mühe nicht wert.
    Baltasar saß allein am Höhleneingang und suchte die Dunkelheit mit Augen und Ohren ab. Auf der Suche nach den niedrigen Sternen weit entfernter Fackeln. Nach entferntem Hufgetrappel und dem Klirren von Rüstungen.
    Doch nicht nach einer kupfernen Schlange, die dank uralter dunkler Mächte zum Leben erwacht war.
    Wenn Balthasar seine Aufmerksamkeit zufällig auf den Wüstenboden gerichtet hätte, hätte er vielleicht die Nehushtan gesehen, die sich an ihm vorüberschlängelte, dann wieder zurück in die schwarze Wüste mit ihrer Botschaft:
    Ich habe sie gefunden …

»Sie schießen, um den Schuldlosen von ihrem Versteck aus zu treffen. Sie schießen auf ihn, plötzlich und ohne Scheu.«
    – Psalmen 64,4–5

Herodes ging es viel besser.
    Obwohl es beinahe Mittag war, befand er sich immer noch in seinem Schlafgemach, den Kopf auf Seidenkissen gebettet, die Brust von parfümierten Ölen glänzend. Zwar war er wach, doch seine Augen blieben friedlich geschlossen, während er genau nach den Anweisungen seiner Leibärzte tief die heilenden Dämpfe einatmete. Gewöhnlich befolgte Herodes ihren Rat nur sehr ungern. Schließlich hatte er sich als nutzlos erwiesen, als es darum ging, ihn von seiner verfluchten Krankheit zu befreien. Trotz all ihrer sogenannten Heilmittel und Tränke und Rituale blieb seine Haut von nässenden Wunden übersät, und seine Rippen ragten aus seiner ausgemergelten Brust wie Dünen aus dem Wüstensand. Trotzdem musste Herodes zugeben, dass seine Ärzte beim Kurieren der Halsschmerzen, die er sich durch sein Geschrei zugezogen hatte, ganze Arbeit geleistet hatten. Es ging ihm tatsächlich so gut, dass er beschlossen hatte, heute im Bett auf der »Vergnügensseite« seines Zwillingspalastes zu bleiben. Sein »Geschäftspalast« mit all den doppelzüngigen Kurtisanen, unerledigten Disputen und ewigen schlechten Nachrichten konnte warten. Heute war ein Ruhetag. Ein Tag des Vergnügens. Er hatte es verdient. Er hatte etwas Neues verdient.
    Und hier war sie auch schon.
    Saß neben ihm auf dem Bett. Eine junge Frau, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Hier saß sie nun, neben ihrem kranken König, und ließ getrocknete Feigen in dessen Mund fallen, eine nach der anderen. Herodes genoss jede einzelne süße Frucht und kaute sie langsam und laut zwischen seinen schwärzlich verfärbten Zähnen – die ganze Zeit über die Augen geschlossen. Beim Kauen der Feigen umspielte ein mattes Lächeln seine Lippen. Herodes lächelte in dem Wissen, dass er Augustus Caesar, den mächtigsten Mann der Welt, genau da hatte, wo er ihn haben wollte.
    Wieder einmal hatten sich die Instinkte des Herodes als richtig erwiesen. Nur Tage nachdem sein Bote mit dem Brief nach Rom aufgebrochen war, waren nicht weniger als zehntausend römische Soldaten an der Küste von Judäa gelandet. Das war an sich schon ein kleines Wunder. Selbst Herodes hatte nicht mit solch einer raschen Reaktion gerechnet. Aber so war Rom eben. Entschlossen. Überwältigend. Man musste es ihnen lassen – ob richtig oder falsch, sie machten keine halben Sachen.
    Herodes war nicht dumm. Er hatte gewusst, dass der Kaiser ihn nicht mochte und ihm auch nicht traute. Genau wie er gewusst hatte, dass Augustus seinem Anliegen nicht widerstehen würde können und auch nicht dieser Gelegenheit, seine Macht in Szene zu setzen. Er wird mir Angst einjagen wollen , hatte Herodes vor dem Abschicken des Briefes gedacht. Mir ins Gedächtnis rufen, dass ich nichts weiter als ein wehleidiger kleiner Marionettenkönig bin, der von Glück sagen kann, dass er seinen Thron hat. Doch anstatt sich eingeschüchtert oder minderwertig zu fühlen, war Herodes jetzt voller Genugtuung und Stolz.
    Er hatte zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Er hatte Augustus geschmeichelt und gleichzeitig hatte er den Geist und den Säugling zu Roms Problem gemacht. Sollte der Kaiser denken, was er wollte. Es zählten nur Tatsachen. Und Tatsache war, dass Herodes hier im Bett saß und mit Feigen gefüttert wurde, während sich die Römer auf der Suche nach seinen Flüchtlingen durch die

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