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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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Welt … ein Mann mit Flügeln.«
    Balthasar versuchte zu verbergen, dass ihm bei diesen Worten ein kalter Schauder über den Rücken lief.
    »Und bevor er auch nur den Mund aufmachte«, sagte Josef, »erzählte mir Maria, wusste sie – wusste sie mit absoluter Gewissheit –, dass es Gabriel war, der Erzengel des Herrn.«
    »Gabriel?«
    »›Sei gegrüßt, du Begnadete‹, sagte er zu ihr. ›Der Herr ist mit dir. Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen. Höre, du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären. Und der Heilige, den du zur Welt bringen wirst, wird der Sohn des Höchsten genannt werden.‹«
    »Das ist alles? Das hat sie dir erzählt?«
    »Ich wusste, dass es eine Lüge war. Ich wusste es. Ich dachte: ›Nein, es ist schlimmer als eine Lüge. Eine Lüge ließe sich verzeihen. Das war Gotteslästerung! Gott von einer Frau geboren! ‹ Ich sah bloß zwei Möglichkeiten: erstens, dass Maria einen anderen Mann erkannt hatte, ob nun freiwillig oder nicht, und sich die Geschichte als Erklärung für ihren Zustand ausdachte. Oder zweitens, dass ihr die Vorstellung, mein Weib zu sein, auf einmal Entsetzen bereitete, und sie mich abschrecken wollte. Doch ich dachte mir, wenn ihr Entsetzen derart groß ist, wieso hat sie dann bisher so glücklich gewirkt? Es ergab keinen Sinn.«
    »Das ist bei Frauen immer so.«
    »Doch dann wurde mir klar, dass es eine dritte Möglichkeit gab: dass Maria den Verstand verloren hatte. Dass sie tatsächlich glaubte, was sie mir soeben erzählt hatte. Und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr sagte mir mein Herz, dass dies die wahre Antwort war. Sie hatte ihre Geschichte mit solcher Überzeugung erzählt. Ihr Gesicht hatte nicht den leisesten Zweifel verraten. Ihre Augen hatten nicht gelogen, selbst wenn ihre Lippen es taten. Vielleicht war es einfach so, dass ich alles glauben wollte, bloß nicht die Vorstellung, du weißt schon …«
    »Ich weiß.«
    »Aber was konnte ich machen? Ich wusste genau, was passieren würde, wenn ich ihr den Rücken zukehrte. Das hatte ich schon früher mit angesehen: ehebrecherische Frauen, die aus ihren Häusern geschleppt und an eine Mauer gestellt wurden, während die Männer Steine aufsammelten. Ich hatte diese Frauen gesehen mit ihren zertrümmerten Schädeln, mit ihrem verspritzten Gehirn, zum Sterben zurückgelassen. Sosehr ich mich auch weigerte, Maria zu glauben, konnte ich sie doch nicht zum Tode verurteilen. Ich dachte: ›Ich könnte behaupten, ich wäre der Vater.‹ Aber zuzugeben, dass wir vor der Hochzeit beieinander gelegen hatten? Man hätte uns aus dem einzigen Zuhause verbannt, das wir je hatten. Die Menschen, die wir liebten, hätten uns gemieden.«
    »Also hast du sie trotzdem geheiratet.«
    »Nein. Ich habe getrauert. Ich habe um das Leben getrauert, das hätte sein können. Doch im Laufe eines verwünschten Tages hatte sich meine Zukunft auf drei Möglichkeiten verengt: Entweder würde ich der Mann einer Ehebrecherin sein, der Gatte einer unwilligen Braut oder der Hüter einer Verrückten. Drei Möglichkeiten – eine schlimmer als die andere. Doch dann? Ein Wunder.«
    Es kostete Balthasar einige Mühe, nicht die Augen zu verdrehen.
    »In der Nacht«, sagte Josef, »während ich mit diesen drei Möglichkeiten rang, besuchte mich der Engel Gabriel und zeigte mir eine vierte Möglichkeit: dass das, was Maria mir erzählt hatte, wahr war. Dass der Messias in ihrem Leib heranwuchs, und dass ich sein Hüter sein sollte.«
    Balthasar saß eine ganze Weile schweigend da. Offensichtlich hatte der Zimmermann ebenfalls den Verstand verloren. Ja, wahrscheinlich hatte er eine Art Vision gehabt – ein lebhafter Traum, der seiner Verzweiflung entsprungen war. Weil er in seiner Verzweiflung alles glauben wollte, bloß nicht die schmerzliche Wahrheit. Balthasar hatte selbst schon Visionen erlebt. Dinge, von denen er damals hätte schwören können, dass sie real waren. Es war ihm als Junge passiert, als er am anderen Ufer des Orontes Leichen ausgebuddelt hatte. Es war ihm neulich während der Operation passiert. Der Unterschied bestand darin, dass er die Fähigkeit besaß, Träume von der Wirklichkeit zu unterscheiden. Visionen suchten einen doch ständig heim. Man hatte Träume, die völlig real wirkten. Doch sie waren nun einmal genau das – Träume. Nichts weiter. Und der Zimmermann war naiv, weil er etwas anderes glaubte.
    »Tja«, sagte Josef, »gib mir Bescheid, falls du deine Meinung ändern solltest und etwas

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