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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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sein. Warum würde Gott uns bis hierherbringen, nur um uns niederzustrecken?
    Josef war erstarrt und wartete, dass Gott ihm eingab, was er tun sollte. Wartete darauf, dass der Herr für sie sorgte, wie er es immer getan hatte. Doch der Zweifel rasselte wieder einmal mit den Säbeln, lauter denn je. Seine junge Frau und er würden auf der Stelle sterben. Ihr Kind – ihr gewöhnliches, unbedeutendes Kind – würde an ihrer Seite umkommen. Genau hier auf dieser Straße, nur Meter von der Ruhestätte Abrahams und Saras entfernt. Bloß dass man kein Heiligtum über ihren Leichen errichten würde. Keine Pilger würden kommen, um ihrem Vermächtnis ihre Hochachtung zu bezeigen, denn sie würden keines hinterlassen. Sie würden von Pfeilen durchbohrt und der Vergessenheit anheimfallen.
    » RUNTER !«
    Auf einmal wurde Josef von einer unsichtbaren Macht zur Seite gerissen. Erst später setzte er sich Stück für Stück zusammen, was in den folgenden Sekunden passierte: wie Balthasar sie alle drei ganz kurz vor dem Eintreffen der Pfeile zu Boden riss. Wie Melchyor hinter ihm hergelaufen kam und wie er sein Schwert geschwungen und etliche Pfeile aus der Luft geschlagen hatte, bevor sie ihr Ziel erreichen konnten.
    Das Baby schrie, doch Maria hatte keinen Atem, um es zu trösten. Josef und sie lagen auf der Seite, die verängstigten Gesichter einander zugewandt, immer noch unsicher, wer oder was sie zu Fall gebracht hatte. Ohne zu wissen, dass jetzt römische Soldaten mit gezückten Schwertern aus den Seitenstraßen, in denen sie sich versteckt gehalten hatten, herbeigeströmt kamen. Überall auf der Straße ertönten Schreie, sobald sich die allgemeine Verwirrung legte und die Einwohner von Hebron allmählich begriffen, was hier vor sich ging. Als Mütter ihre Kinder packten und sie eilig aus der Bahn der Pfeile trieben, und als Väter den angreifenden römischen Soldaten mit den Fäusten in den Weg traten.
    Balthasar und Melchyor waren rasch wieder auf den Beinen und zogen die anderen mit sich. Balthasar hielt mit einer Hand Marias Gewand gepackt, fest entschlossen, sie in der ganzen Panik nicht zu verlieren, denn es war sehr wahrscheinlich, dass sie und das Baby ansonsten niedergetrampelt werden würden. In der andern hielt er sein Schwert und machte sich auf alles gefasst, was von vorne kommen könnte, während Melchyor ihnen den Rücken deckte.
    Caspar beobachtete seine Mitflüchtlinge aus einiger Entfernung und zögerte, sich ihnen anzuschließen. In diesem Trubel könnte er sich ohne Weiteres davonstehlen. Er könnte weglaufen, und keinen würde es kümmern. Doch was war mit Melchyor? Der arme, hilflose Melchyor wäre ohne ihn verloren. Nein, Caspar würde es sich nie vergeben können, falls ihm etwas zustoßen sollte. Außerdem war es unehrenhaft, einen treuen Freund zu verraten. Doch es ist auch unehrenhaft, das eigene Leben wegzuwerfen. Sieh mal, Caspar – sieh, wie viele Soldaten aus den Seitenstraßen kommen …
    Auf dem Basar ganz in der Nähe kamen die Geschäfte zum Stillstand, weil es sich herumsprach, dass auf der Straße der Palmen etwas Großes im Gange war. Neugierige Kunden gingen erst und liefen dann in Richtung des Geschreis, das in der Nähe des Marktes erklang. Kaufleute sammelten ihre Waren ein und schlossen ihre Stände, weil sie die Plünderungen fürchteten, die häufig auf einen derartigen Aufruhr folgten.
    Sie hatten es schon früher erlebt. Streitigkeiten unter den religiösen Pilgern hatten auf die Straßen übergegriffen. Tiere warfen ihre Reiter ab und zertrampelten unglückselige Schaulustige. In einem kleinen Städtchen stand ein derartiges Chaos auf der Tagesordnung. Die meisten der paar Dutzend Männer auf dem Weg vom Basar rechneten mit einem gewöhnlichen Zwischenfall auf der Straße der Palmen. Stattdessen begrüßte sie ein Anblick, den sie sich beim besten Willen nicht erklären konnten:
    Das römische Heer hatte Hebron den Krieg erklärt.
    So zumindest sah es aus. Römische Bogenschützen schossen von Baumkronen aus auf unbewaffnete Einwohner, römische Soldaten knüppelten die Väter nieder, die kämpften, um ihre Frauen zu schützen, und Frauen schirmten mit dem Körper ihre Kinder ab. Es war ein mächtiges Heer, das die guten und braven Bewohner von Hebron angriff. Genauer gesagt schienen sie es auf ein paar hilflose Seelen in der Mitte der Auseinandersetzung abgesehen zu haben, einschließlich einer jungen Frau und eines Säuglings. Die Männer von dem Basar ließen das Ganze

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