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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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sie weg war oder schlief, und verließ sich darauf, dass Josef ihm sein Essen brachte. Doch da die heutige Abreise ihm Sorgen bereitete, hatte er sich schlaflos hin und her gewälzt und war schließlich aufgestanden. In dem Glauben, als Einziger zu dieser Stunde auf zu sein, war er nach unten gekommen.
    Wahrscheinlich dachte sie das Gleiche. Und jetzt sind wir hier.
    Balthasar hatte dieses angespannte Schweigen schon bei anderen Frauen erlebt. Schweigen, bei dem die Luft entflammbar zu sein schien. Bei dem ein einzelner Funke das Ganze entzünden konnte. Deshalb war es das Beste, nichts zu sagen. Worte führten zu nichts Gutem. Nicht wenn eine einzelne falsche Silbe zum Funkenschlag führen und die Luft in Brand setzen konnte, sodass man in Stücke gerissen wurde.
    Balthasar beobachtete, wie sie zur gegenüberliegenden Seite des Zimmers ging, zu einem Wasserkrug, der auf dem Brett eines geöffneten Fensters stand. Während er so tat, als würde er weiter an seiner Brust herumschnippeln, warf er ihr immer wieder verstohlene Blicke zu: Sie benetzte sich die Hände, wusch sich den Schlaf aus dem Gesicht und strich sich die Haare glatt – wobei sich ihre Silhouette gemeinerweise wunderschön gegen die flatternden Vorhänge abhob.
    »Es tut mir leid«, sagte sie, ihm den Rücken zugekehrt. »Du weißt schon … das mit deinem Gesicht.«
    Es überraschte ihn, überhaupt ihre Stimme zu vernehmen. Ganz zu schweigen von etwas, das nach einer aufrichtigen Entschuldigung klang. Doch Balthasar erwiderte nichts. Er saß lediglich am Tisch, mit zur Hälfte gezogenen Fäden. Worte führen zu nichts Gutem.
    »Es ist nur … dich zu sehen, war ein bisschen …«
    Was denn, erschütternd? Überraschend? So unglaublich, dass du mich ein paarmal treten und schlagen musstest, um sicherzugehen, dass ich real war? Moment mal, warum redest du überhaupt? Weißt du denn nicht, dass die Luft hier drinnen Feuer fangen und uns beide umbringen könnte?
    Sela schüttelte sich das restliche Wasser von den Händen, öffnete den Vorhang und starrte auf die leeren Straßen von Be’er Scheva hinaus.
    »Nachdem du fort warst«, sagte sie, »gab es Tage, an denen ich zum Flussufer ging und dort stand. Ich habe dort stundenlang gestanden und in die Wüste hinausgesehen. Habe mich gefragt, ob du dort draußen bist. Habe mich gefragt, wo du bist, was du tust. Ob du überhaupt am Leben bist. Manchmal … manchmal streckte ich die Hand vor mir aus … lehnte mich vor und schloss die Augen, kehrte die Handfläche nach außen – und ich habe nach dir gelauscht. Ich stand dann dort … als könnte ich dich mit meinem Körper spüren. Als könnte ich dir eine Botschaft senden. Einen Gedanken durch jene ausgestreckte Hand schicken und dich bitten, nach Hause zu kommen. Und es war so töricht, das Ganze.«
    Sie drehte sich um. Er sah, dass sich in ihren Augenwinkeln Tränen sammelten und ihre Wangen hinabzufließen drohten.
    »Es war so töricht und naiv, doch ich ging dort hinaus, Tag um Tag, und redete mir ein, dass dich früher oder später einer jener Gedanken erreichen würde.«
    Das haben sie … Jeden Tag habe ich an dich ge…
    »Du hast mein Leben ruiniert, Balthasar.«
    Ich weiß.
    »Du hast mir gezeigt, wie gut das Leben sein kann, und dann bist du fortgegangen.«
    Und ausgerechnet du solltest wissen, warum ich fort musste.
    »Du warst weg, und im Laufe der Zeit … habe ich vergessen. Ich habe das Gefühl vergessen. Ich habe sogar dein Gesicht vergessen.«
    Was gab es da zu sagen? Wie oft war er das bereits in Gedanken durchgegangen? Wie oft hatte er sich vorgestellt, dieses Gespräch zu führen, angesichts der entfernten Möglichkeit, dass er sie je wiedersehen würde? Und nun war er hier, und es gab nichts zu sagen.
    »Deine Mutter ist tot, Balthasar.«
    Es dauerte einen Moment, bis er verstand. Als es so weit war, hätte er schwören können, dass er das Zisssschen der ganzen gefährlichen Luft hörte, die aus dem Zimmer entwich.
    Oh, sei nicht so überrascht, Balthasar! Wage es ja nicht, tränenfeuchte Augen zu bekommen, als hättest du es nicht schon längst gewusst. Natürlich ist sie tot. Du wusstest, dass sie mittlerweile gestorben sein muss. Es war deine Entscheidung, Balthasar. Du wusstest, dass du sie nie mehr wiedersehen würdest – nicht nach Abdi. Nicht nachdem du fortgegangen warst.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich hätte es dir früher sagen sollen.«
    Trotz allem drohten Balthasar Tränen über die Wangen zu rinnen. Er konnte

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