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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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nicht anders, sondern musste an seine Mutter denken, die am Ende ihres Lebens allein gewesen war. Ganz allein, mit so vielen unbeantworteten Fragen, so viel Kummer über all das, was sie verloren hatte. Er konnte nicht anders, als sich ihr Gesicht vorzustellen. »Versprich mir … versprich mir, dass unser Glück nicht auf Kosten eines anderen geht.« Doch natürlich war dem so gewesen. Es waren schreckliche Kosten gewesen. Ihre Kosten. Und jetzt werde ich sie nie mehr wiedersehen und ihr sagen können, wie unendlich leid es mir …
    Balthasar drehte sich weg, da sie nicht die Tränen sehen sollte, die ihre Drohung wahrgemacht hatten. Sela kam näher an den Tisch heran und wischte sich selbst das Wasser aus den Augen. Fast rechnete er schon mit einer Hand auf seiner Schulter. Sogar mit einem Beileidskuss auf der Stirn. Er wollte diese Dinge mehr als alles andere, doch nur, falls sie auch dazu bereit war. Er durfte sie sich nicht einfach nehmen.
    »Balthasar … wenn dir noch das Geringste an mir liegt, dann versprich mir etwas.«
    Er wischte sich über die Augen und sah zu ihr auf.
    Alles.
    »Versprich mir, dass du dich, wenn du wieder fort bist, nie mehr wieder bei mir blicken lässt.«
    Mit diesen Worten überließ sie ihn dem Ziehen seiner letzten paar Fäden.

Der Vormittag neigte sich dem Mittag zu, und immer noch kein Zeichen von Caspar oder Melchyor. Balthasar ging auf und ab. Mittlerweile waren sein Gesicht und seine Lippen beinahe vollständig verheilt. Der von ihm verursachte Luftzug reichte aus, die Vorhänge zu bewegen, die zum Schutz vor der Sonne zugezogen waren. Wo zum Teufel stecken sie? Sie waren kurz nach dem Frühstück aufgebrochen, um Nahrungsmittel und Vorräte zu besorgen, während die restlichen Flüchtlinge zusammen mit Sela die Kamele bepacken und alles für die Abreise vorbereiten sollten. Sie hatten einen langen Ritt vor sich. Wenn sie sich zwangen, jeweils nur ein paar Minuten zu rasten, und ihr Lager in der offenen Wüste aufschlugen, konnten sie die Grenze zu Ägypten in zwei Tagen erreichen.
    Maria befand sich nebenan und stillte das Baby unter ihrem Schultertuch, während Sela die Feldflaschen auffüllte, penibel darauf achtend, keinen einzigen kostbaren Tropfen zu verschütten.
    Josef betete wieder. Er kniete in der Zimmerecke und murmelte etwas vor sich hin. Obwohl seine Worte kaum mehr als ein Flüstern waren, schwollen sie in Balthasars Ohren zu einem Crescendo an. Wir haben reale Probleme. Reale Probleme hier in der realen Welt, und er sitzt da und murmelt zu Gott. Schließlich reichte es Balthasar.
    »Könntest du … damit aufhören?«
    Josef stellte das Gemurmel ein, auch wenn seine Augen geschlossen blieben.
    »Du gehst auf und ab, wenn du nervös bist«, sagte er. »Ich bete. Ich würde sagen, dass meine Methode die weniger ärgerliche ist, was uns beide betrifft.«
    »Was uns beide betrifft«, sagte Balthasar, »bin ich derjenige mit dem Schwert, von daher würde ich an deiner Stelle lieber den Mund halten und etwas Nützliches tun, bevor ich dir die Zunge rausschneide.«
    Josef öffnete die Augen. Er stand auf und sah Balthasar an. »Warum stört mein Gebet dich?«
    »Eben drum! Es dauert und dauert und dauert und dauert und dauert und dauert! Ich habe noch nie im Leben jemanden gesehen, der Gott so viel vorfaselt!«
    »Tja … es gibt viel, wofür ich ihm Dank schulde.«
    »Wofür denn zum Beispiel? Für den Umstand, dass die ganze Welt dein Baby umbringen möchte?«
    »Beispielsweise für dich.«
    Josefs Antwort erzielte die gewünschte Wirkung und ließ Balthasar mitten in seiner Schimpfkanonade verstummen.
    »Du hast uns in Bethlehem gerettet«, sagte Josef. »Du hast uns durch die Wüste geführt, hast uns hierhergebracht. Und du hast dabei beinahe dein eigenes Leben hingegeben. Ich habe Gott dafür gedankt, dass er dich geschickt hat, denn wenn er es nicht getan hätte, wären wir jetzt tot.«
    »Statt dich bei Gott zu bedanken, kannst du dir in Zukunft die Mühe sparen und dich einfach direkt bei mir bedanken.«
    Josef lächelte. »Ich kenne Menschen wie dich«, sagte er. »Menschen, die glauben, dass Gott uns im Stich gelassen hat. Dass er unsere Unzulänglichkeiten leid geworden ist. Diese Menschen verfallen der Sünde. Der Schwäche und der Versuchung und der Schuld. Und deshalb meinen sie, alle Menschen müssen so sein. Und wenn alle Menschen so sind, warum sollte Gott dann irgendetwas mit der Menschheit zu tun haben wollen?«
    »Und ich kenne Menschen wie

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