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Die nachhaltige Pflege von Holzböden

Die nachhaltige Pflege von Holzböden

Titel: Die nachhaltige Pflege von Holzböden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Wiles
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fürchten musste, das arme Mädchen vollzukotzen. Ich erinnerte mich an die schwarzrote Fontäne, die in die Pfützen platschte, im fahlen Schein der Straßenlaterne, und an den Zustand der Toiletten in der Bar, den ätzenden Uringestank. Der Magen drehte sich mir um, und ein Krakenarm aus Schmerz schob sich aus dem Schrankkoffer. Eins stand jedenfalls fest – das Kopfweh würde mir den ganzen Tag erhalten bleiben, dieses dauernde dumpfe Bohren hinter den Augen, mit einem gelegentlichen Eispickelschlag auf den Hinterkopf. Ich stöhnte eine Weile vor mich hin.
    Die Katzen! Wo waren die Katzen? Wenn nicht draußen, dann drinnen. Eilig fuhr ich in saubere Klamotten und machte, dass ich ins Wohnzimmer kam.
    Vorigen Mai war Oskar in London gewesen, wegen eines Konzerts im Barbican – ein Quartett aus Solisten der Philharmonie hatte eins seiner Werke aufgeführt. Er rief mich an und lud mich zu dem Konzert ein, und ich errichtete einen Wall aus immer wilderen Ausflüchten, um bloß nicht dorthin zu müssen. Damals sah ich es so, dass selbst die beste klassische Musik – sagen wir mal, Bach – mich kaum interessierte. Um den Abend unterhaltsam zu gestalten, müsste Oskars Musik also besser als Bach sein, und auch bei wohlwollendster Einschätzung von Oskars Talent kam mir das dann doch nicht sehr wahrscheinlich vor. Ein Essen bei einer imaginären und furchtbar gebrechlichen Verwandten füllte schnell das fragliche Zeitfenster. Wir fanden es beide höchst bedauerlich. Noch ehe ich es selber ansprechen konnte, bestand Oskar darauf, sich am Abend vor dem Konzert mit mir zu treffen. Ich willigte sofort ein und schlug ein Pub in der Nachbarschaft vor, eine schäbige kleine Kneipe in der Whitecross Street, wo man halbwegs sicher sein konnte, seine Ruhe zu haben.
    Oskar war vor mir da, obwohl ich zehn Minuten zu früh kam, nachdem ich einen ungeheuren logistischen Aufwand betrieben hatte, um pünktlich zu sein. Trotzdem war ich überzeugt, dass Oskar gleich einen Blick auf die Uhr werfen würde, wenn er mich reinkommen sah. Doch ich hatte mich geirrt. Er starrte in sein Glas, das er zwischen Daumen und Mittelfinger hin und her drehte, was die restliche Hälfte des Biers gegen die grauen Schaumschlieren an der Innenseite des Glases schwappen ließ.
    Ich hatte Oskar auch früher schon niedergeschlagen erlebt, aber nicht mehr seit Uni-Zeiten. Die Erinnerung an sein gnadenloses Sezieren meiner Charakterschwächen brannte mir nicht mehr ganz so peinsam im Gedächtnis, doch wir hatten seither nur noch wenig Kontakt, sodass es die letzte nennenswerte Entwicklung in unserer Freundschaft geblieben war. Das hier war jedoch der unsichere Oskar aus den ersten Tagen unserer Bekanntschaft; als ich ihn so sah, vergaß ich die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit und fühlte mich an unsere frühere Nähe erinnert. Wir waren nun fast zehn Jahre befreundet, und mir wurde bewusst, dass meine Zuneigung zu ihm die unschöne Episode damals bei dem Abendessen überlebt hatte.
    Â»Alles in Ordnung?«, fragte ich. Wie schon zu Uni-Zeiten hatte seine Depression etwas Demonstratives, etwas, das bemerkt und kommentiert werden wollte. Als Antwort auf meine Frage zuckte er die Achseln und breitete die Hände aus.
    Â»Die Proben laufen gut«, sagte er. »Die Musiker können das Stück perfekt. Und jetzt klingt es … ich weiß nicht. Vielleicht kennen sie es zu gut. Aber …« Er hielt inne. Das war keine seiner lakonischen Pausen, die auf Effekt abzielten. Er hatte Mühe, die richtigen Worte zu finden, in jedweder der Sprachen, die er kannte, man sah es an dem Anflug von Panik in seinen Augen. Er öffnete den Mund, und nichts geschah. Einer der hoffnungslosen Fälle, die am Tresen abhingen, hustete. Oskar sah hinüber und klappte den Mund zu. Dann sagte er mit Nachdruck: »Ich schreibe keinen Jazz .«
    Ich wusste nicht, was er meinte, und war momentan perplex. »Ich bin sicher, es wird alles gut gehen«, sagte ich.
    Er blickte mich an. In seiner Miene lag etwas sehr Verletzliches, eine untypische Wässrigkeit. Er hatte entweder getrunken oder geweint. Oder beides. »Wie steht’s mit deiner Arbeit?«, fragte er.
    Â»Ach, geht so«, sagte ich mit einem sorgsam bemessenen Quäntchen Ehrlichkeit. »Ist gerade nicht so viel los.« Tatsächlich manifestierte sich meine Langeweile bei der Arbeit längst als mangelnder

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