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Die nachhaltige Pflege von Holzböden

Die nachhaltige Pflege von Holzböden

Titel: Die nachhaltige Pflege von Holzböden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Wiles
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Arme ausgestreckt.
    Auf einmal war es so still, dass ich meinen eigenen Atem hören konnte, meinen eigenen Herzschlag, aber nichts mehr von ihr.
    Mit großer Vorsicht – meine Gelenke knackten, als hätten sie sich jahrelang nicht bewegt – streckte ich den Fuß vor und tippte sie an der Schulter an. Keine Reaktion. Der Blutfleck an ihrem Schenkel trocknete schon. Erleichtert stellte ich fest, dass der Fleck nicht den Boden berührte, also keinen weiteren Schaden mehr anrichten konnte. Aber – das war im Moment wohl kaum das Wichtigste. Es war schon mehr als genug passiert.
    Ich bückte mich und tastete nach ihrem Puls. Die Haut war blass und feucht. Ein Pulsschlag ließ sich nicht fühlen.
    Â»Scheiße!«, stieß ich zischend hervor. Versehentlich hatte ich den Atem angehalten. Meine Lunge brannte.
    Â»Scheiße«, sagte ich noch mal. Das Gesicht der Putzfrau war leicht von mir weggedreht. Ich ging um sie herum und sah es mir an. Ihre Augen standen offen und starrten glasig ins Nichts.
    Neben dem Telefon lag ein Zettel mit den Nummern für Notfälle. War dies ein Notfall? War hier noch irgendwas durch schnelles Eingreifen zu retten?
    Da war auch eine Nummer für die Polizei. Ich ließ erst einmal Zeit vergehen.
    Mein Becken schmerzte vom Sturz, meine Knie fühlten sich wattig an. Ich setzte mich auf Oskars Sofa, das unter mir seufzte. Im Sitzen konnte ich den Körper in der Küche nicht mehr sehen. Umso besser.
    War der Körper eine Leiche? Hatte ich sie umgebracht?
    Ich hatte sie umgebracht.
    All das mäanderte mir durchs Hirn, ohne dass ich es sonderlich beachtete, wie Fernsehwerbung, und es war ja auch ebensolcher Blödsinn. Ich hatte niemanden umgebracht. Es war ein Unfall. Sie war alt. Das war ein natürlicher Tod. Ich hatte versucht, dem Ganzen mit Vernunft zu begegnen. Es war einfach Pech, meins und ihrs. Ein Irrtum. Nein, kein Irrtum – ein Unfall. Wenn sie den Korken fester in die Flasche gedrückt hätte … und das war jetzt dabei herausgekommen.
    Doch ich sah mir nicht an, was dabei herausgekommen war. Stattdessen gingen mir verschiedene Szenarien durch den Kopf. In einem davon rief ich die Polizei und erklärte alles … und dann wurde es irgendwie verschwommen. Sie verstanden es, oder ich wanderte in den Knast. Selbst wenn mir der Knast erspart blieb – und ich war mir nicht sicher, ob meine Erklärung wie die reine Wahrheit klang –, würde ich mich eine Zeit lang in einer sehr ungemütlichen Lage befinden. Oskar würde es erfahren. Wie viel musste ich der Polizei offenbaren? Eine Erklärung für den Streit wäre sicher vonnöten, aber würden sie auch das mit dem Boden wissen wollen? Wie würde es aussehen? Man würde allen möglichen Leuten geduldig Rede und Antwort stehen müssen oder in furchtbaren, gefliesten Räumen warten, im schnöden Neonlicht von Krankenhäusern, Leichenschauhäusern, Polizeirevieren, Botschaften, Arrestzellen gar?
    Wenn ich Oskar jetzt anrief, was würde er dann sagen? Was konnte er sagen? Vielleicht war er das vorhin am Telefon gewesen, während meines Handgemenges mit der Putzfrau. Noch hatte er von alldem keine Ahnung – in seinem Universum war dem Boden noch nichts passiert, beide Katzen lebten und die Putzfrau auch. Wie gern hätte ich mich in dieses Universum zurückversetzt … Oskar anzurufen, würde mir nicht weiterhelfen. Der Einzige, der mir helfen konnte, war ich selbst.
    Ein paar Minuten lang hatte ich auf dem Sofa gesessen, die Ellbogen auf den Knien, und auf die Geräusche gehorcht, die von draußen kamen. Lieber hätte ich irgendein Geräusch von der Putzfrau gehört – ein Seufzen, ein Stöhnen, ein Schrei von mir aus. Ich schloss die Augen, kniff mir in die Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger, versuchte mich zu konzentrieren. Das Summen der Stadt mischte sich mit dem wirbelnden Chaos in meinem Hirn, einem Chaos, das sich manchmal wie ein Vorhang teilte, um einen eingefrorenen, unumkehrbaren Moment der Gewalt zu zeigen. Die Erinnerung an das Geschehene war ein Irrsinnsanfall, eine krakenarmige Anarchie, alles, nur keine klare Folge von Abläufen. Ich wollte mir ein schlüssiges Bild machen, zusammenhängend wie eine Choreografie, aber ich bekam immer wieder das gleiche Bild belichtet, viele Zeitsegmente übereinander geschichtet zu einer sinnlosen Projektion. Sie kam auf mich zugestürzt, ich

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