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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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es scheinbar nicht mehr gibt. Böse Zungen nennen sie »Göring-Spende«. Aber ihr Drill ist gnadenlos: Eisige Dusche am Morgen, Appell mit Gruß an Hitler, erst danach ein mageres Frühstück. Das Gerät ist alt, zum Teil kaputt, unsere Disziplin dafür eisern, und unsere Körper - die von Athleten. Erholung spenden nur ein paar Stunden politische Theorie oder richtiger Schlaf, wenn uns ausnahmsweise mal keine Alarmpfiffe wecken. Daran, fürchte ich, werde ich mich nie gewöhnen: wie ein Toter auf die Pritsche fallen und kurz darauf wieder raus, volle Montur und mitten in der Nacht ins Manöver ...
    Schließlich haben sie das Regiment noch einmal geteilt und den Abmarsch befohlen: 200 Mann nach Wien, 50 zur Panzernahkampfbrigade Berlin, der Rest auf andere Divisionen. Und ich - halt Dich fest - zur Leibstandarte!
    Seitdem warten wir in einer Kaserne am Rand von Berlin auf unseren ersten Einsatz, und erst gestern hat man uns hier gleich noch einmal vereidigt, viel feierlicher diesmal und nach altem germanischem Brauch zwischen zwei Eichen.
    Was müßt Ihr wohl an Strapazen durchmachen? Die Nachrichten von der russischen Walze fließen spärlich. Über die Oder käme Iwan nicht, wird gemunkelt. Dann gibt es wieder Gerüchte, die Engländer stünden bereits im Harz. Nichts genaues, nur täglich lange Listen aus dem OKW vor allem Auszeichnungen. Es geht offenbar um alles. Und wir sitzen hier rum!
    Aus Beneschau sind noch vier Kameraden dabei, auch Max, der Dich grüßen läßt - Dich und die Lotsen-Elli aus Deiner Klasse. Sie soll ihm mal schreiben! Wußtest Du, daß die beiden mal miteinander gegangen sind? (Behauptet zumindest Max!)
    Wir selbst dürfen momentan keine Post versenden, eine Art Quarantäne, um wenigstens einen Teil der Truppenbewegungen vor Spionage zu schützen. Deshalb weiß ich auch nicht, wann und wo ich diese Zeilen aufgeben kann. Versprochen wurde es uns spätestens für den endgültigen Einsatzort. Einige Briefe können bis dahin verlorengehen. Bitte versuche es trotzdem! Und drück die Daumen, daß wir endlich Verwendung finden! Stolz aber ungeduldig - und ewig sowieso: Dein Fritz.
    Dienstag
    30. März 2004 Wir sind zunächst in Sicherheit, Liesbeth, so viel vorweg. Richtige Betten. Die Sonne scheint. Wie im Himmel kommt es einem vor, nach so vielen Jahren ohne ihn.
    Konrad wollte unbedingt noch in der gleichen Nacht seinen Hof erreichen. Wir konnten ihm diesen Wunsch unmöglich abschlagen, auch wenn es sich erst im Nachhinein als gute Idee erwies. Worauf sonst soll man sich nach den Enttäuschungen dieser Tage auch verlassen, wenn nicht auf sein eigen Fleisch und Blut? In DB 10 konnten wir unmöglich bleiben. Die Verräter wären sicher zurückgekehrt, wahrscheinlich mit Verstärkung.
    Ihr Auto sollte uns einen kleinen Vorsprung verschaffen, von einer ruhigen Fahrt konnte trotzdem keine Rede sein: Feinde überall und Josef am Steuer - die reine Tortur. Kein Gedanke an leserliche Notizen. Deshalb das Wichtigste aus meinem Stenoblock nun noch mal in Schönschrift:
    Josef probiert erstmal alle Hebel und Knöpfe aus und kann sich kaum aufs Fahren konzentrieren: Was für eine Kraft, diese Kraft, habt ihr diese Kraft gespürt? So redet er die ganze Zeit. Wenn er die Bremse nur berührt, kleben wir sofort an der Windschutzscheibe. Tritt er aufs Gas, schießt der Wagen stramm nach vorn. Er ruckelt und springt wie ein Esel, und Otto, der sich neben mir nur mit einer Hand festklammern kann, jault jedes Mal auf. Ihm fehlt jegliche Körperspannung, um die Sprünge zu parieren. Wir wollen es ihm mit den Gurten erleichtern, aber er protestiert beharrlich dagegen.
    Nach etwa einer Stunde auf Waldwegen stoßen wir auf eine Straße. Der glatte Asphalt tut allen Knochen gut. Mit dem Polarstern voraus glaubt Konrad auf dem richtigen Weg zu sein, bis der Horizont plötzlich so blau leuchtet, daß jeder Stern erblaßt. Es ist ein helles Blau. Künstlich und gefährlich. Josef drosselt das Tempo. Seine Vorsicht in allen Ehren, aber müssen wir wirklich das Licht scheuen? Auf Heimatboden?
    Unter einem großen, grell erleuchteten Dach, das wie von selbst im Himmel zu schweben scheint, sehen wir zuerst einen Glaskasten und deutlich die Silhouette eines Menschen darin. Josef will auf den letzten Metern die Scheinwerfer löschen, aber stattdessen blinken sämtliche gelben Eckleuchten unseres Wagens auf. Und als hätte Josef mit dem Lenkrad auch den Befehl inne, weist er uns an, die Waffen zu entsichern.
    Der Mann im

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