Die Nacht am See
dass meine Schwester zur Juliard School gehen kann.”
Donovan sah sie erstaunt an. „Das hast du noch nie erwähnt.”
„Es ist nie zur Sprache gekommen.”
„Hast du noch mehr Geschwister?”
„Nein, nur Marie. Sie ist achtzehn und eine sehr begabte Cellospielerin. Nachdem meine Mutter starb, ist sie zu meiner Tante gezogen. Niemand hatte das Geld, um sie auf eine gute Musikschule schicken zu können, also habe ich allein versucht, die Kosten abzudecken.
Außerdem gefällt es mir, selbständig zu sein.”
„Bist du auch musikalisch?”
Sie lächelte und gab die verquirlten Eier in die Pfanne. „Ich singe gern.”
„Du steckst voller Überraschungen. Sing mir etwas vor.”
„Nicht während ich koche! Da muss ich mich konzentrieren.”
„Oh ja, das hatte ich ganz vergessen. Kochen gehört zu den Dingen, die du nicht magst.
Aber mir scheint, du kannst es ganz gut.”
Sie sah ihn über die Schulter an. „Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht kochen kann. Ich habe nur gesagt, dass ich es nicht mag.”
Er stand auf und kam um die Arbeitsplatte herum. Von hinten schlang er die Arme um sie.
„Mir scheint, du kannst alles gut. Dies hier besonders …” Er knabberte an ihrem Hals, während sie die Eier umrührte. Ihre Haut begann zu prickeln.
„Du lenkst mich ab. ich werde noch die Eier anbrennen lassen.”
Sie spürte seine Erregung und merkte, wie sich auch in ihr wieder Verlangen regte.
Unfähig, dieser Versuchung zu widerstehen, drehte sie sich um und küsste ihn, bis sie beide außer Atem waren. Wie war es nur möglich, dass ein Mann solche Gefühle in ihr auslöste?
Schließlich erinnerte der Duft des brutzelnden Specks Jocelyn daran, dass sie für das Frühstück zuständig war. Sie lächelte und schob Donovan von sich. „So geht das nicht.
Zwischendurch müssen wir auch mal etwas essen.”
Er küsste sie auf die Wange und kehrte zu seinem Hocker zurück. „Als Arzt sollte ich das eigentlich wissen.”
Während Jocelyn das Frühstück zubereitete und den Tisch deckte, sprachen sie über ihre Schwester Marie, dann über Donovans Pläne bezüglich des Beratungszentrums.
Sie setzten sich, um zu essen, und diskutierten darüber, was geschehen würde, wenn die Polizei Cohen geschnappt hatte.
Nach dem Frühstück stand Donovan auf und nahm ihre Teller. Als Jocelyn ebenfalls aufstehen wollte, erklärte er: „Nein, du bleibst hier und trinkst in Ruhe deinen Kaffee aus. Ich erledige das.”
Er ist ein Traum, dachte sie und bedankte sich mit einem Kuss. Noch immer im Bademantel, schob sie die Terrassentür auf und trat hinaus, um den Blick auf den See zu genießen. Sie setzte sich auf einen Gartensessel, nippte an ihrem Kaffee und dachte daran, wie unglaublich Donovan in der letzten Nacht im Bett gewesen war, wie er sie dazu gebracht hatte, beim Höhepunkt Tränen zu vergießen. Tränen der Freude und der Hoffnung.
Himmel, sie verlor die Kontrolle über die Angelegenheit. Er war vielleicht ein Traum, aber er war immer noch ihr Klient. Ein Klient, der noch nie eine längerfristige Beziehung gehabt hatte.
Sie rutschte unruhig hin und her. Was tat sie hier? Sie war ein Profi, und sie hatte eine der Grundregeln gebrochen: Niemals dürfen Gefühle ins Spiel kommen.
Und doch war sie so glücklich wie nie zuvor und sehnte sich danach, Donovan zu berühren, seine Arme um sich zu spüren, mit ihm zu reden und sein Herz mit Freude zu erfüllen. Sie wollte ihm helfen, glücklich zu werden, und ihm zeigen, wie wunderbar eine andauernde Liebe sein konnte …
Plötzlich kamen ihr Zweifel. Andauernde Liebe? Was wusste sie schon davon? Seit Tom sie verlassen hatte, war sie allein. Und noch immer schlummerte tief in ihr der Groll auf ihren Vater, weil er ihre Mutter verlassen hatte. Was wusste sie von dem Glück, das aus lebenslanger Liebe hervorging? Nichts.
Sie gaben wirklich ein feines Paar ab.
Jocelyn hörte Donovan in der Küche mit Geschirr klappern und trank noch einen Schluck Kaffee.
Ja, sie hegte tiefe Gefühle für Donovan, und vielleicht war sie auch dabei, sich in ihn zu verlieben, aber war sie mutig genug, alle Vorsicht in den Wind zu schlagen und sich ganz auf ihn einzulassen? Sie war sich nicht sicher.
Im Moment wusste sie nur, dass sie mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben und daran denken musste, dass dies nichts weiter als eine Art Urlaub war, mehr nicht. Sie glaubte nicht, dass sie es schaffen konnte, Donovan aus der Einsamkeit, die ihn sein ganzes Leben lang verfolgt hatte,
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