Die Nacht - Del Toro, G: Nacht - Night Eternal (Bd. 3 The Strain Tril.)
konnte; so wie es früher die Cops oder das Militär mit den Wagen von Zivilisten getan hatten. Quinlan hob die Hand und hielt seinen klauenartigen Mittelfinger ins Licht der sich nähernden Scheinwerfer.
Quietschend kam der Laster zum Stehen. Der Fahrer, ein Stoneheart-Angestellter in Anzug und Mantel, öffnete bei laufendem Motor die Tür, und dann war Quinlan schon bei ihm. Sprang in die Fahrerkabine. Stürzte sich auf den Fahrer.
»Los!«, rief Vasiliy, und er und Eph liefen im strömenden Regen auf den Laster zu. Als sie bei der Fahrerkabine ankamen, war der Kampf bereits vorüber: Der Stoneheart-Angestellte lag zuckend auf dem Boden unter dem Lenkrad, sein Gesicht vor Angst und Schock erstarrt. In seinem Hals steckte Quinlans Stachel.
Angewidert hielt Vasiliy einige Meter Abstand, während sich der Blutgeborene mit ausgerenktem Kiefer und glühenden Augen an dem Menschen gütlich tat. Quinlan war ein Vampir und konnte sich jederzeit auch gegen sie wenden – das durften sie nie vergessen!
Als er ausreichend gestärkt war, fuhr Quinlan den Stachel wieder ein, zog den Toten aus der Fahrerkabine und schleuderte ihn wie ein Bündel alter Kleidung an den Straßenrand. Dann wandte er sich Eph und Vasiliy zu.
Schnell.
Sie gingen ans hintere Ende des Wagens, öffneten die Verriegelung und schoben die Rolltür auf.
Ein Kühllaster.
»So ein Scheißpech!«, knurrte Vasiliy. Sie hatten ungefähr eine Stunde Fahrt vor sich, was für ihn und Eph nun eine ziemlich frostige Angelegenheit werden würde. »Und noch nicht mal was Anständiges zu essen.« Er zog sich hinauf und schob einige der Kühlboxen zur Seite.
Als sich Vasiliy und Eph im Laderaum einigermaßen eingerichtet hatten, schloss Quinlan die Rolltür wieder, und kurz darauf hörten sie in der Dunkelheit, wie der Blutgeborene die Fahrertür zuschlug, den Gang einlegte und das Gaspedal drückte. Der Wagen setzte sich in Bewegung.
Vasiliy holte einen Fleecepulli aus seinem Rucksack und zog ihn über. Dann knöpfte er die Jacke zu und kauerte sich auf dem Boden zusammen. Der Motor war hier hinten so laut und die Vibrationen so stark, dass es keinen Sinn hatte, sich miteinander zu unterhalten – und das war für den Kammerjäger völlig in Ordnung.
Er verschränkte die Arme vor der Brust und schloss die Augen. Dachte an Nora. Ihm war völlig klar, dass sich eine Frau wie sie unter normalen Umständen nie mit ihm abgegeben hätte, aber die Umstände waren eben nicht normal: In Kriegszeiten fanden Männer und Frauen aus Notwendigkeit zusammen; und manchmal – und er hoffte inständig, dass es bei ihm und Nora so war – war es auch Schicksal. In Kriegszeiten fanden die Menschen auch zu sich selbst, und Vasiliy war überzeugt, dass er in dem ganzen Schlamassel das Beste in sich entdeckt hatte. Eph dagegen … Eph schien sich verloren zu haben.
Nora hatte eigentlich mitkommen wollen, aber Vasiliy hatte sie dazu überreden können, bei Gus zu bleiben. Nicht nur, um ihre Kräfte zu schonen, sondern auch, um zu vermeiden, dass sie Everett Barnes sofort an die Gurgel ging, wenn sie ihm gegenüberstand – und damit den Plan gefährdete. Außerdem brauchte Gus Hilfe bei seinem Part.
»Woran denkst du?«, hatte sie Vasiliy gefragt, als sie einige Minuten für sich gehabt hatten.
Er hatte ihren Nacken gestreichelt – diese wundervolle Linie, wo der Hals in die Schultern übergeht – und erwidert: »Ich denke, dass du wie neugeboren aussiehst. So ganz ohne Haare.«
»Ich sehe aus wie ein Freak.«
»Nein. Wenn überhaupt, dann siehst du etwas zarter aus. Verwundbarer.«
»Willst du, dass ich verwundbarer wirke?«
»Nur wenn wir zusammen sind.«
Das hatte ein Lächeln auf ihr Gesicht gezaubert.
»Ich glaube, dass es ein guter Plan ist, Nora. Aber ich mache mir trotzdem Sorgen.«
»Ja, ich weiß. Wegen Eph. Alles hängt jetzt von ihm ab. Und entweder zerbricht er unter dieser Last … oder er wächst über sich hinaus.«
»Er wird es schaffen. Er muss es schaffen.«
Dann war sie sich mit der Hand über die nackte Kopfhaut gefahren. »Wenn es nachwächst, werde ich für eine Weile wie eine Lesbe aussehen.«
»Damit komme ich schon klar.«
»Oder ich rasiere es wieder ab. Ich trage ohnehin meistens eine Mütze. Würde dir das etwas ausmachen?«
Nein , dachte Vasiliy in der Kälte und Dunkelheit des Kühllasters, es würde mir nichts ausmachen. Solange ich Teil deines Lebens bin.
Er drückte die Arme fest zusammen – und für einen kurzen Augenblick hatte
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