Die Nacht - Del Toro, G: Nacht - Night Eternal (Bd. 3 The Strain Tril.)
ein Angebot, das er einfach nicht ablehnen kann?«
Quinlan sah sie schweigend an. Offenbar stimmte er dem Plan damit zu.
Und dann wandten sich alle Eph zu – in dessen Kopf die Gedanken nur so herumwirbelten. Es war doch ein guter Plan, oder? Auf diese Weise hatte er die Möglichkeit, sie alle zu täuschen – den Meister oder seine Freunde –, je nachdem, wie sich die Dinge entwickelten. Aber … Er betrachtete Noras Gesicht im grünen Licht des Nachtsichtgeräts. War sie womöglich der Verräter? Hatten sie sie im Lager zu einem ihrer Agenten gemacht? Nein, unmöglich! Sie hatten schließlich ihre Mutter getötet … »Okay.« Seine Stimme war kaum mehr als ein Krächzen. »Dann ist es also beschlossene Sache. Ab jetzt operieren wir an zwei Fronten.«
Ihnen allen war bewusst, dass sie gerade die vermutlich gefährlichste Entscheidung ihres Lebens getroffen hatten. Aber selbst Gus war einverstanden; immerhin suchten sie die direkte Konfrontation mit dem Meister – und es war ja in erster Linie Eph, der seinen Kopf hinhielt.
Vorsichtig verpackte Quinlan die Urnen der Alten in Plastikhüllen und verstaute sie dann in einer Ledertasche.
»Wartet mal«, sagte Vasiliy plötzlich. »Das Wichtigste haben wir vergessen.«
»Und das wäre?«, fragte Gus.
»Wie zur Hölle überbringen wir dem Meister unser Angebot?«
Nora legte dem Kammerjäger die Hand auf die unbandagierte Schulter. »Ich weiß, wie.«
Spanish Harlem
Die Versorgungslaster, die von Manhattan nach Queens fuhren, nahmen gewöhnlich die Queensboro Bridge über den East River und bogen dann entweder südlich in die Second Avenue oder nördlich in die Third Avenue. Quinlan stand auf dem Bürgersteig vor den George Washington Houses zwischen 97th und 98th Street, den Kopf vor dem prasselnden Regen tief in der Kapuze verborgen, und beobachtete die vor beikommenden Wagen. Größere Konvois ließ er passieren.
Nicht weit entfernt hatten sich Eph und Vasiliy im Schatten eines Hauseingangs verborgen. In der letzten Stunde war etwa alle zehn Minuten ein Wagen vorbeigekommen, und langsam fragten sie sich, worauf Quinlan eigentlich noch wartete. Vasiliy ging inzwischen ihren Plan im Kopf immer wieder durch und redete sich ein, dass er wirklich funktionieren könnte. Natürlich hatte das Ganze etwas Irrsinniges, aber andererseits hatten sie auch nicht gerade viele Alternativen.
Den Meister töten … Das hatten sie schon einmal versucht – hatten den Herrn der Vampire den eigentlich tödlichen Strahlen der Sonne ausgesetzt –, und waren gescheitert. Als Abraham Setrakian sein eigenes Blut mit Vasiliys Rattengift angereichert und sich geopfert hatte, um den Meister damit zu vernichten – da hatte die Kreatur einfach ihren alten Körper aufgegeben und sich einen neuen gesucht.
Der Meister schien unbesiegbar.
Und doch hatten sie ihn beide Male zumindest verletzt. Was immer die wirkliche Form dieses Wesens auch sein mochte – sie benötigte einen Menschen, um existieren zu können. Und Menschen konnte man töten …
»Dieses Mal muss es einfach klappen«, sagte Vasiliy mehr zu sich selbst als zu Eph. »Eine bessere Chance bekommen wir nicht mehr.«
Eph nickte und beobachtete weiter die Straße, wartete auf Quinlans Zeichen. Er wirkte ziemlich angespannt. Hatte er auch Bedenken wegen des Plans – oder war da noch etwas anderes? Ephs Unzuverlässigkeit in den vergangenen Monaten hatte sie beide schon voneinander entfremdet, aber die Sache mit Nora hatte endgültig einen Keil zwischen sie getrieben, und Vasiliy machte sich Sorgen, dass diese persönliche Angelegenheit ihrem Vorhaben schaden könnte.
Er räusperte sich. »Weißt du, es ist nichts passiert. Zwischen Nora und mir, meine ich.«
Eph sah den Kammerjäger mit zusammengekniffenen Augen an. »Aber zwischen mir und Nora ist alles passiert. Es ist aus. Und irgendwann einmal werden wir uns darüber unterhalten – und vielleicht prügeln wir uns auch eine Runde. Aber nicht jetzt. Jetzt müssen wir uns auf etwas anderes konzentrieren … Und davon abgesehen: Was haben wir nicht alles miteinander durchgemacht, Vasiliy?«
»Gut. Ich bin froh, dass wir wieder auf derselben Seite stehen.«
Eph wollte gerade etwas erwidern, als erneut Scheinwerfer aufblitzten – und sich Quinlan diesmal in Bewegung setzte. Der Blutgeborene stellte sich mitten auf die Straße.
Eine der Regeln in dieser neuen Welt war es, dass ein Vampir jederzeit einen von einem Menschen gefahrenen Wagen anhalten und konfiszieren
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