Die Nacht - Del Toro, G: Nacht - Night Eternal (Bd. 3 The Strain Tril.)
glaubt das.«
»Und was glaubst du?«
»Ich? Ich habe das Buch, aber ich kann nichts damit anfangen. Kennst du den Spruch ›Er ist so blöd, er findet noch nicht mal ein Gebet in der Bibel‹? Nun, so geht es mir. Da ist irgendein Trick dabei, aber …«
»Scheiße, Mann! Ich hab mal gefilmt, wie Quinlan in Nullkommanichts ein Vampirnest ausgehoben hat. Zwei, drei Dutzend Blutsauger – zack!« Gus lächelte. »Weißt du, im Knast lernt man, dass es zwei verschiedene Typen auf der Welt gibt, scheißegal, ob Mensch oder Vampir. Die, die einstecken, und die, die austeilen. Und dieser Kerl, Mann, der teilt ordentlich aus. Er ist ein Jäger durch und durch. Und er hasst den Meister ebenso sehr wie wir.«
Vasiliy legte die Hand auf Gus’ Schulter. Die Sache war also entschieden: Er würde Quinlan das Buch geben.
Und dafür einige Antworten bekommen.
Aus dem Tagebuch von Ephraim Goodweather
Früher war eine Midlife Crisis eigentlich gar nicht so schlimm. Die Haare wurden grau, die Ehe zerbrach, oder die Karriere geriet ins Stocken. Also kaufte man sich ein neues Auto, einen Mont-Blanc-Füller oder eine Haartönung, je nachdem, wie viel Geld man hatte. Aber nichts kann meinen Verlust je wiedergutmachen. Mein Herz rast, wenn ich daran denke, wenn ich es fühle . Was immer ich besaß, ich habe es vergeudet. Und was immer ich erhoffte, es wird nie Wirklichkeit werden. Alles, was mir das Leben versprochen hat – der Jahrgangsbeste, der Umzug an die Ostküste, das perfekte Mädchen – alles weg. Diese wunderbaren Abende mit kalter Pizza und einem Film im Fernsehen. Damals, als ich in den Augen meines Sohnes noch ein Riese war …
In meiner Jugend gab es da diesen Mister Rogers im Fernsehen, der immer sang: »You can never go down / can never go down / can never go down the drain.« Was für eine verdammte Lüge!
Früher hätte ich all das, was ich erreicht hatte, als Lebenslauf präsentiert – jetzt ist es eine Liste der Belanglosigkeiten und des Selbstbetrugs. Früher dachte ich, die Welt und mein Platz darin wären Teil eines großen Plans. Dass der Erfolg (was immer das ist) ganz automatisch kommen würde, wenn ich mich nur auf meine Arbeit – auf das, worin ich »gut« war – konzentriere. Früher dachte ich, dass die tägliche Tretmühle – als Vater, als Workaholic – genau dazu da wäre: um dem eigentlichen Leben den letzten Schliff zu verleihen. Aber jetzt … jetzt ist die Welt zu einem unerträglichen Ort geworden, und alles, was ich besitze, ist das überwältigende Gefühl der Reue und des Verlustes. Jetzt weiß ich, dass dies mein wirkliches Ich ist: schwach, krank, gebrochen. Die fleischgewordene Enttäuschung der Träume eines früheren Lebens. Ich gebe nicht auf, weil ich nie aufgebe. Aber ich habe jeden Glauben an mich selbst verloren.
Woran halte ich mich noch fest? Ich kann nicht akzeptieren, dass mein Sohn für immer verloren ist. Ich werde es nicht akzeptieren. Ich werde ihn finden, da bin ich mir ganz sicher. Ich bin ihm in meinen Träumen begegnet. Er hat mich angesehen (und ich war wieder ein Riese in seinen Augen) und beim schönsten Namen genannt, bei dem ein Mann nur genannt werden kann: »Dad«.
Und da war ein gleißendes Licht um uns herum. Ein Licht, das mich von all meinen Sünden reingewaschen hat.
Ich werde dieses Licht finden.
Columbia University
Eph wanderte durch die Kellertunnel der einstigen Irrenanstalt unterhalb der einstigen Universität, und genau das war es, was er tun wollte: herumwandern. In Bewegung bleiben. Der Anblick von Zack neben Kelly und dem Meister hoch oben auf Belvedere Castle hatte ihn wie einen Schlag in den Magen getroffen. In all der Zeit hatte er sich Zacks Schicksal in zahllosen Varianten ausgemalt – ermordet, unter Drogen gesetzt, in ein Verlies gesperrt –, aber er hatte nicht im Traum daran gedacht, dass er seinen Sohn an der Seite des Meisters wiederfinden würde.
Hatte Kelly ihn auf die Seite der Vampire gezogen? Oder hatte ihn der Meister persönlich zu sich gerufen? Und wenn ja, warum?
Vielleicht hatte der Meister gedroht, Kelly vollständig auszulöschen, und Zack hatte sich daraufhin gefügt. Eph wollte das glauben – die Vorstellung, sein Sohn hätte sich dem Herrn der Vampire freiwillig hingegeben, war einfach unerträglich. Nein, Zack war immer noch sein kleiner, schmerzlich vermisster Junge!
Aber das Bild auf Gus’ Monitor …
Eph blieb stehen und kramte zwei Vicodin aus seiner Hosentasche. Das Licht der Stirnlampe brachte
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