Die Nacht der Haendler
euch zuruft: Haltet ein! Rettet die Wirklichkeit in all ihrer Schönheit und Herrlichkeit! Lauft nicht weiter in euer Unglück! Kehrt um! Ihr habt die Kraft dazu, ich weiß es! Es gibt nur eine Leidenschaft, nämlich die, glücklich sein zu wollen! Also bietet dem Unglück die Stirn!
Ihr sollt wissen, dass es nicht einfach sein wird. Denn ihr müsst Abschied nehmen von all den wunderbaren Geräten, die ihr für Zeichen eurer Geistes-kraft haltet. Ihr müsst erkennen, dass die Bildschirme Höllen sind. Ihr müsst eure Kinder und Freunde davon überzeugen! Ihr müsst euch selbst überwinden, denn ihr seid längst süchtig und krank – und niemand kann euch heilen, wenn ihr es nicht selbst tut!
Und wenn dies getan ist, ist erst das Geringste getan. Denn nun wird der Teufel der Bilderwelt gegen euch antreten. Er wird euch zu Narren erklären, er wird euch überfallen mit seiner ganzen großen Armee, mit den Bildkonzernen, den mächtigen internationalen Industrien der Fiktion, er wird euch ängstigen mit Wirtschaftskatastrophen, und vielleicht wird er euch wankelmütig machen, denn zum Helden sind die wenigsten unter uns geboren! Aber ihr werdet euch zusammenschließen, ihr werdet euch aller Geräte der Zerstörung entledigen, ihr werdet die riesigen Videotheken verbrennen, die Filmkameras und Fotoapparate, die Scanner und Beamer zerschlagen und die Fernsehsender und Studios in die Luft jagen! Endlich wird es zum großen Kampf kommen gegen die ganze zweite Welt!
Ein Krieg wird kommen, sage ich euch, ein erbarmungsloser Krieg der wahren Welt gegen die virtuelle. Hin- und herwogen wird dieser Krieg über den Erdball, Satelliten werden aus ihrer Bahn gelenkt werden und verglühen. Armeen werden für Fiktionen kämpfen, und Realisten werden gegen sie antreten mit dem Menschenrecht auf Wirklichkeit . Ich kündige euch Opfer an, Schweiß, Blut und Tränen. Aber der Sieg wird unser sein, denn auf unserer Seite ist das Leben, ist die ganze Schöpfung Gottes! Mögen die Illusionäre und Imagisten jetzt noch glauben, sie hätten die Menschheit unterworfen – sie werden am Ende schwach und erniedrigt am Boden liegen und uns Antimagisten um Erlösung aus ihrem Irrtum anflehen. Dann ist Zeit für Gnade. Und für die endgültige Befreiung der Welt aus ihrer letzten Fiktion. Und was ist diese letzte Fiktion, Freunde des Lebens, geliebte Wirklichkeitsmenschen? Was ist die Fiktion, die hinter der Fiktion der Bilder steht und ohne die es unmöglich gewesen wäre, die vernichtende Bilderwelt überhaupt zu erfinden und in unseren Seelen zu verbreiten? Was ist die große Behauptung, dass etwas, das wir sehen, verwandelbar sei in etwas, das wir nur dafür halten? Was verwandelt Land in Eigentum? Was verwandelt den Himmel in Sendefrequenzen? Was verwandelt den uns allen geschenkten Reichtum unserer Erde in die Armut der meisten? Es ist, ihr wisst es, das Geld ! Das Geld ist die fiktivste aller Fiktionen, die mächtigste aller Illusionen. Das Geld behauptet, es sei der Garant der Realität, doch es spiegelt sie nur vor. Es ist die Lüge aller Lügen. Es ist eine Behauptung, die uns alle geblendet hat. Darum, liebe Freunde, Liebhaber der Realität! Wenn die Vernichtung der Bilder gelungen sein wird, beginnt das größte unserer Werke, das endlich wieder die Welt hinter der Scheinwelt hervortreten lässt – das Ziel der Geschichte: Die Vernichtung des Geldes! Hört, Freunde des Lebens! Erhebt euch in allen Ländern! Vereinigt eure Kräfte unter dem Ruf der Antimagisten »Réalité! Vérité! Félicité!« Beginnt das große Werk, die wahre Revolution zur Rettung des Glücks! Ich bin an eurer Seite, denn ich liebe euch! Und ich werde nicht wanken bis zu jenem Tag des Festes, an dem wir gemeinsam unsere Welt ansehen werden und sagen können: Es ist getan. Wir sind glücklich.
Das schon damals vergilbte Dokument in der Hand, trat ich aus Stieftaals Zimmer in die Halle. Während seines Berichtes hatte der Mond Brunhildes Brust verlassen, war zu dem Fenster über der kleinen Toilette gewandert, wo er nun durch Siegfrieds aufgebahrten Heldenkörper leuchtete und dem gläsernen Rot der Wunde den Anschein frischen Bluts verlieh, für das der grimme Hagen verantwortlich war, der schwarz hinter der Bahre stand und sein düsteres Haupt im Spitzbogen des Fensters dem Himmel entgegenreckte, als habe er mit dem blutigen Licht so wenig zu schaffen, dass er den Göttern frei seine Stirn bieten dürfe.
Aus dem Türspalt des Speisesaals, wo die Puppen
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