Die Nacht Der Jaegerin
ganzen Tag gedauert. Den Frisiertisch haben wir aus Zimmer sieben geholt, ich habe über eine Stunde gebraucht, um ihn zu polieren. Das Bett, das mussten wir auseinandernehmen und in Einzelteilen vom Speicher heruntertragen.»
«Das war wirklich ihr Bett?»
«Wer weiß. Verstaubt genug war’s jedenfalls.»
«Ich hab richtig Angst bekommen, Natalie. So was kann doch nicht ... gesund sein.»
«Das Gesicht, das du beim Reinkommen gemacht hast, werde ich jedenfalls nicht so schnell vergessen.»
«Als ich das letzte Mal hier drin war, stand praktisch kein Mobiliar im Zimmer.» Jane ließ ihren Blick noch einmal durch den Raum schweifen. «Tja, besser, es trifft Hardy als mich.»
Echt, Hardy hätte einen richtigen Schock verdient. Jane war immer noch wütend auf ihn, weil er Lucy Devenish instrumentalisiert hatte. Das war eine richtige Beleidigung. Was die Spiritualität anging, war Lucy der gesamten
White Company
haushoch überlegen.
Natalie ging an Jane vorbei und öffnete die Zimmertür. «Wenn wir ihn morgens tot im Bett finden, weil er einen Herzinfarkt gekriegt hat, ist er eben an seinem Berufsrisiko gestorben. Tja, ich mag ihn nicht besonders. Komm, wir trinken einen Tee.»
Jane sah Natalie an. Sie musste wirklich unheimlich cool sein – oder wirklich keinerlei Gespür für das Übersinnliche haben –, um sich allein in dieses Bett legen zu können, unter dieses gruselige Bild der Mörderin von Stanner Hall.
«Nat ...»
«Ja?»
«Weiß Amber etwas von dieser ... Generalüberholung?»
«Zum Teil. Sie war die ganze Woche ziemlich schweigsam. Ich meine, die Vorstellung, dass in ihrer Küche Geister angerufen werden sollen – dem einzigen Ort, an dem sie es hier aushält ...» Nat sah zu der dunklen Treppe hinüber. «Manchmal denke ich, vielleicht überrascht sie uns ja noch alle und lässt ihn mitsamt dem ganzen Projekt einfach sitzen.»
«Sie soll Ben verlassen?»
«Nein, aber vielleicht Stanner. Und damit würde sie Ben vor die große Entscheidung stellen. Daraus könnte man ihr auch keinen Vorwurf machen, oder?»
«Davon würde er sich nie mehr erholen. Er glaubt doch, dass er das alles nur für Amber tut.»
«Allerdings.» Nat lächelte bitter. «Unglaublich, unter was für Selbsttäuschungen manche Männer leiden, oder?»
«Und manchmal sind sie noch dazu gefährlich aggressiv», sagte Jane.
Nat sah sie warnend an.
Das war eine einmalige Sache ... Wir wollen doch nicht, dass Bens Ruf leidet, oder?
«Wissen Sie ...» Jane wandte den Blick von Nat ab. Sie war entschlossen, es auszusprechen. «Ich habe viel darüber nachgedacht ...»
«Das lässt du besser. Es hilft bestimmt niemandem.»
«Ich habe herausgefunden, was Hattie Chancery getan hat.» Jane blickte zum Spiegel des Frisiertischs hinüber, in dem sich das Foto der erwachsenen Hattie spiegelte. «Sie wissen doch, was sie hier in diesem Zimmer getan hat, oder?»
Natalie ging ein paar Schritte. «Ben lässt Amber immer noch in dem Glauben, dass sie sich irgendwo draußen im Garten erschossen hat. Von wem hast du es gehört?»
«Von Gomer. Außerdem hat er mir von Hatties Männern erzählt. Und was sie mit ihnen oben auf den Stanner Rocks getan hat. Von der Aggression, die sie in sich hatte. Und vom Alkohol.»
«Glaubst du das alles?»
«Irgendwie schon», sagte Jane. «Sie nicht?»
«Du fragst mich, was ich glaube?» Nat setzte sich halb auf den Frisiertisch und streckte ihre langen Beine von sich, während sie Hatties Bild anschaute. «Ich glaube, dass man sich nicht verarschen lassen soll. Das ist so ungefähr mein einziger Glaubenssatz.»
Jane sah zu dem Bett hinüber. Eine verschossene fliederfarbene Tagesdecke mit Fransenrand lag darauf. Sie sagte, ohne Nat anzusehen: «Als ich hier diese eine Nacht geschlafen habe, kam ich abends ins Zimmer zurück und habe festgestellt, dass die Decke vom Bett gerissen und oben ans Kopfteil geschleudert worden war. Echt, genau so war es. Und da wusste ich noch nicht mal, wessen Zimmer das gewesen ist.»
Nat sagte nichts dazu.
«Na gut.» Jane drehte sich zu Natalie um. «Es kann sein, dass Amber oder sonst wer im Zimmer war, das Bett neu beziehen wollte, rausgegangen ist und es irgendwie vergessen hat. Man könnte sich alle möglichen rationalen Erklärungen einfallen lassen, und ich hoffe, dass eine davon stimmt. Aber ich hatte außerdem noch einen ziemlich schlechten Traum hier drin. Ich meine
richtig
schlecht. Und ...»
Nat sagte leise. «Jane ...»
«Ich meine, wenn man
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