Die Nacht Der Jaegerin
klapprigen, sechzehn Jahre alten Vauxhall Astra, um mit dem Menschen zusammen zu sein, den du liebst?
Tu’s.
Er war mit dem alten Astra durch die verschneite Hügellandschaft geschlittert und hatte sich bis nach Leominster an ein Streufahrzeug gehängt. Danach hatte er sich auf Straßen weitergetastet, auf denen man keinerlei Fahrspur mehr erkennen konnte, war an zwei verlassenen, komplett eingeschneiten Autos vorbeigekommen und trotz allem weitergetuckert, bis sich die alte Klapperkiste schließlich weigerte, auf der glatten Piste in dem wirbelnden Schnee noch einen Meter weiterzufahren.
Aber das passierte glücklicherweise erst, als Lol und sein treues Auto auf dem Hügel waren, von dem es nur noch abwärts zur Church Street in Ledwardine ging. Dort blieb der Astra endgültig mit durchdrehenden Reifen am Straßenrand stecken. Wie in Trance war Lol ausgestiegen, hatte den Kühlergrill seines Autos geküsst und ihm eine gute Nacht gewünscht, bevor er zum Pfarrhaus stapfte und sich dabei wie in einem weißen Rausch fühlte, als wäre der ganze Schnee reinstes Koks.
Nun saß er in dem schwachen Schimmer der beiden Glühstäbe und hörte mit halbem Ohr Merrily zu, die mit zwei Leuten, die kurz nach ihm gekommen waren, eine Besprechung in der Küche abhielt. Am besten bemerkten sie überhaupt nichts von seiner Anwesenheit, sonst wäre es in null Komma nichts im Dorf rum.
Anscheinend redeten sie über einen Gedenkgottesdienst. Lol hörte eine ältere Frau, die eine derart krächzende Stimme hatte, dass er sie sofort wiedererkannte.
Mit Salz und Ketchup?
Und dann war da noch ein Typ namens Dexter, der es schaffte, gleichzeitig aggressiv und weinerlich zu klingen. Anscheinend irgendeine Routineangelegenheit.
Nach einer Weile aber hörte Lol an den erhobenen Stimmen, dass es Schwierigkeiten gab.
«Nein», sagte Alice von der Frittenbude, «sie meint damit, dass wir eine ordentliche Beerdigung für den Jungen machen müssen. Mit sämtlichen Ritualen.»
Merrily sagte: «Na ja, eigentlich ist es keine ...»
«Das ist doch gruselig, verdammt!»
«Dexter!»
«Eine Beerdigung für ein Kind, das schon beinahe zwanzig Jahre im Grab liegt?»
«Es ist keine ...»
«Keiner kann mir erzählen, das wäre nicht gruselig.»
«Es ist keine Beerdigung», sagte Merrily, «und ich glaube wirklich nicht, dass Sie sich gruseln werden. Aber es ist ja auch nur ein Vorschlag.»
«Dazu haben Sie kein Recht. Sie hätten das alles nicht wieder aufwärmen dürfen. Es ist vorbei und vergessen.»
«Nein», rief Alice. «Dieser Tag lebt weiter und zwar
in dir.
Begreifst du das denn nicht?» Etwas ruhiger setzte sie hinzu: «Er war schon den ganzen Abend so, Frau Pfarrer. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist.»
Merrily sagte: «Zunächst einmal, Dexter – wir müssen es überhaupt nicht machen, wenn Sie es nicht wollen. Und wenn, muss es nicht in einer Kirche sein.»
«Und was soll das Ganze dann bringen?»
«Ich versuche nur zu erklären, dass eine Messe mit Heiliger Kommunion ein sehr ... wirksames Instrument ist, um mit so etwas umzugehen, weil wir glauben, dass ... Christus selbst anwesend ist. Und manchmal gelingt es durch solch eine Messe, einen Schlussstrich unter etwas zu ziehen, Ordnung und Ruhe einkehren zu lassen, wo lange Unruhe, schlechte Gefühle, Kummer und Streit geherrscht haben.»
«Ja», sagte Alice. «Genau das wollen wir.»
«Alice hat mich um Rat gefragt, und es tut mir leid, wenn mein Vorschlag Ihren Erwartungen nicht entspricht. Wenn Sie glauben, dass es nicht der richtige Weg ist, müssen Sie nichts damit zu tun haben.»
«Aber», sagte Alice mit drohender Stimme, «du lässt deine Familie im Stich, wenn du es ablehnst.»
«Nein!»
Dexter klang, als habe er Schmerzen. Lol hatte im Spülküchenbüro den Eindruck, dass er am liebsten seinen Kopf auf die Tischplatte geknallt hätte.
Alice sagte: «Spricht etwas dagegen, dass wir anderen es ohne ihn machen, Frau Pfarrer?»
«Das könnten Sie natürlich, aber das würde ...»
«Und was ist mit Darrin?», sagte Dexter. «Wäre er auch dabei?»
«Es könnte auch Darrin helfen», sagte Merrily. «Es wäre am besten, wenn alle dabei wären, von beiden Seiten der Familie. Dabei kann sich manches aufklären. Das ist jedenfalls meine Erfahrung.»
«Kann es die Wahrheit aufklären?»
«Nun, es ... es kann Eintracht bringen.»
«Und was ist, wenn nicht jeder will, dass die Wahrheit rauskommt?»
Darauf sagte Merrily nichts. Alice aber rief: «Wir alle
Weitere Kostenlose Bücher