Die Nacht Der Jaegerin
braucht ...»
Sie brach ab. Das klang abgedroschen und bedeutungslos. Merrily war von sich selbst abgestoßen und öffnete die Augen, weil sie spürte, dass er sie ansah. Seine Augen waren blaugrau, und in seinem Blick stand Unsicherheit.
«Jeremy», sagte sie.
«Warum?»
Jane entdeckte Ben auf der Veranda, wo er seine Wanderstiefel zuschnürte, und richtete die Kamera auf ihn.
«Jane, was zum Teufel soll das?»
Sie antwortete nicht. Sie wusste gar nicht, ob der Akku überhaupt noch Saft hatte, aber das war egal. Es war die Geste, die zählte. Eine unabhängige Frau, die ihr eigenes Geld verdiente, drehte ein Video.
Dann kam Beth Pollen auf die Veranda. Sie zog sich im Gehen ihren Schafsfellmantel an. «Hat schon jemand die Feuerwehr gerufen? Wenn ich jetzt darüber nachdenke, glaube ich, vor ungefähr zwanzig Minuten eine Explosion gehört zu haben.»
Ben sah auf. «Amber kümmert sich darum. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, wie sie es bei dem Wetter hier herauf schaffen sollen. Ich verstehe sowieso nicht, wie es auf verschneitem, nacktem Felsgestein brennen kann.»
«Ja, das ist seltsam, Ben. Das Hotel ist wohl nicht in Gefahr, aber man kann nie wissen. Ich begleite Sie, wenn Sie möchten. Wenn man die Wege hier nicht genau kennt, kann es ziemlich gefährlich werden.»
Ben zischte: «Jane, verdammt, mach endlich das Ding aus!»
«Ich folge nur meinen Anweisungen.» Jane senkte die Kamera nicht. «Antony hat gesagt, die Kamera müsste praktisch an meine Hände angeschweißt sein.»
«Jetzt sage
ich
dir aber, dass du das Ding weglegen sollst, und ich bin derjenige, der dich
bezahlt
, falls du das vergessen ...»
Jane ignorierte ihn, ging rückwärts aus der Tür zum Parkplatz und filmte immer weiter. Sie trug ihre Stiefel und ihren Nylon-Parka. Damit war sie wesentlich besser ausgerüstet als Alistair Hardy und Matthew, die sich jetzt an der Verandatür herumdrückten und zu den qualmenden Felsen hinaufsahen, als würde man sie von einer bedeutsamen übersinnlichen Erfahrung ausschließen.
Knöcheltief im Schnee drückte Jane die Pausentaste der Kamera, ging ein paar Schritte weiter und hob die Kamera dann wieder, um Ben und Beth Pollen beim Herauskommen zu filmen. Die Flammen auf den Stanner Rocks brannten nicht sehr hoch. Jane hatte keine Ahnung, was dort los war, aber Ben ging es ebenso, und endlich war er mal so richtig genervt, und das erfüllte Jane mit einem Hochgefühl.
«Jane!» Ben stand mitten auf dem Parkplatz. Er trug eine schwarze Goretex-Jacke und eine schwarze Baseball-Mütze mit einem gelben Neonstreifen. «Du bleibst hier, verstanden? Du gehst nicht mit uns dort rauf.»
«Wenn ich abstürze, verspreche ich, Stanner Hall nicht zu verklagen.»
«Wenn du deinen Job behalten willst», er lächelte nicht, «dann gehst du jetzt ins Haus.»
Oh.
Jane rührte sich nicht und filmte ihn immer weiter. Es hatte aufgehört zu schneien, und Jane spürte, wie die Nacht um sie herumwirbelte: dunkle Energien, wechselnde Schicksale.
«Wissen Sie was?», sagte sie. «Machen wir es doch nicht unnötig kompliziert. Ich kündige.»
Lol beugte sich am Schreibtisch über Ella Mary Leathers Buch, aus dem zahlreiche Post-its herausragten. Herefordshire 1912, die abgelegenste Ecke Englands, in der es damals noch beinahe wie im Mittelalter zuging.
Vaughan ... war ein sehr böser Mann, und deshalb konnte er nach seinem Tod keinen Frieden finden und ‹kehrte immer wieder und jedes Mal stärker zurück ...› Manchmal nahm er die Gestalt einer Fliege an, um ‹die Pferde zu quälen›. Schließlich kam er in Gestalt eines Stiers sogar in die Kirche. Da wurde entschieden, dass etwas getan werden musste.
Ethel schlich über das aufgeschlagene Buch, setzte sich neben die Schreibtischlampe und begann sich die Pfoten zu lecken.
«Es muss etwas getan werden», sagte Lol zu der Katze.
‹Also haben sie zwölf Geistliche mit zwölf Kerzen in die Kirche gerufen, um ihn zu erwarten und ihn mit ihren Gebeten in eine silberne Schnupftabaksdose zu bannen. Weil›, so erklärte mir der alte Mann, von dem ich die Geschichte habe, ‹wir alle ein Seelenwesen in uns haben, wie einen Funken, und die Seele kann groß werden oder sich klein machen, ganz klein, sodass sie sogar in eine Schnupftabaksdose hineinfahren kann.› Um die Beruhigung des Geistes zu unterstützen, war außerdem noch eine Frau mit einem Neugeborenen anwesend, dessen Unschuld und Reinheit bei einem Exorzismus wohl für
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