Die Nacht Der Jaegerin
an der verlässliche Christen teilnahmen.
Wenn man aber keine Verstärkung hatte und die Gemeinde aus zwei Spiritisten, einem Trance-Medium, einer römisch-katholischen Teenager-Heidin und einer ... Mörderin bestand, dann konnte man das Handbuch auch gleich auf den Müll werfen und ums nackte Überleben beten.
52 So etwas konnte vorkommen
Dieses Mal hatte der Raum eine bessere Atmosphäre. Die Kerzen brannten hell auf dem behelfsmäßigen Altar, und das wiederholt gemurmelte
Amen
der anderen verschmolz mit ihrer Stimme und klang kräftiger, als sie erwartet hatte.
Es war, als ob das Ritual selbst die Umstände kontrollierte, indem es einfache, aber vollkommen symmetrisch verflochtene Formen in die Leere zeichnete. Die Lebenden und die Toten und das Heilige. In einem kleinen Lichtkreis.
Oder vielleicht hatte sie auch schon Halluzinationen wegen Schlafmangels und funktionierte sowieso nur noch per Autopilot.
Bevor die anderen aus der Küche heraufgekommen waren, hatte sie mit etwas Weihwasser den Raum gesegnet. Dann ein kurzes Gebet, als alle hereingekommen waren.
Sorgsame und andächtige Vorbereitung vor dem Gottesdienst wird jedem Kommunikanten empfohlen.
Und der Pfarrerin natürlich auch.
Auf dem Altar lag ein weißes Tuch, darauf stand ein kleiner Kelch für den Wein und ein Teller für die Hostien. Beth Pollen hatte geholfen, und nun sah Merrily sie neben Jane sitzen und konzentriert und entschlossen vor sich hin schauen.
Mit Brigid, Bliss und Alma waren sie zu zwölft. Antony Largo, der nun wer weiß wo sein mochte, hatte keinen Versuch gemacht hereinzukommen und seine Ausrüstung abgebaut. Clancy kannte Merrily am wenigsten. Sie trug ihre Schuluniform mit Rock und weißer Bluse, ihr honigfarbenes Haar hing ihr in die Augen ... und sie sah der jungen Brigid, von der ein Schulfoto immer wieder in den Zeitungen abgedruckt gewesen war, beinahe erschreckend ähnlich.
Sie waren zu zwölft. Zwölf Personen und Hattie.
Merrily trat mit ihrer Bibel und ihren Zetteln mit der ausgedruckten Messordnung einen Schritt vor.
«‹Ich bin die Auferstehung und das Leben›, sagt der Herr. ‹Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben ...›»
Das Dunkel im Buntglasfenster begann sich im ersten Licht der Dämmerung aufzuhellen, die Farben deuteten sich an wie bunte Schlieren in einer Ölpfütze.
«Wir feiern eine Messe mit heiliger Kommunion, um Hattie Davies Frieden zu bringen – Hattie Chancery, die vor dem Zweiten Weltkrieg von eigener Hand gestorben ist. Aber ich möchte auch, dass wir uns in unseren Gebeten an Hatties Tochter Paula erinnern, die ebenfalls Selbstmord begangen hat, und an Paulas Tochter, Brigid, die ... bei uns ist.»
Mit Hilfe eines Generators, der von einer Autobatterie betrieben wurde, hatte Merrily die Messordnung von der Internet-Seite der Kirche von England herunterladen und ausdrucken können. Kurz nach dem Beginn des Gottesdienstes kam ein Schuldbekenntnis, das Merrily ihre Gemeinde Zeile für Zeile nachsprechen ließ.
«Wir bekennen und beklagen unsere vielen Sünden und den Frevel, den wir immer wieder begangen haben.»
Es brannten auch Kerzen auf Tischen, die zwischen den Betenden standen, um deutlich zu machen, dass alle aktiven Anteil an der Messe hatten und nicht bloß Zuhörer waren. Brigid Parsons saß mit Jeremy und Clancy neben einer dieser Kerzen. Brigids Haare waren frisch gekämmt, und ein paar goldene Strähnen schimmerten durch das dunkelbraun gefärbte Haar, wie ein Symbol für die Tatsache, dass Anonymität dort, wo sie bald hingehen würde, keine Rolle mehr spielte. Ihre Miene war verschlossen und angespannt, von ihren Mundwinkeln verliefen tiefe Falten abwärts.
«Wir bereuen
und bedauern unser Fehlverhalten aus tiefstem Herzen;
seine Last ist unerträglich.»
Merrily hatte zuvor versucht, mit Brigid zu reden, aber Brigid war auf nichts eingegangen, nur auf ihren Vorschlag, ein Seelenamt zu halten.
«Bitte ... bringen Sie das Miststück zum Verschwinden.»
«Hier geht es nicht um Rache.» Sie betrachtete Brigid in dem beinahe weißen Kerzenlicht. «Es geht nicht darum, zurückzuschlagen oder einen Geist zu exorzieren ... es geht um Vergebung. Wir sehen Hattie und das, was sie getan hat, vor uns, und ja, dabei gab es viel Böses ...
aber das macht Hattie nicht von Natur aus böse.
Wir müssen bei diesem Gottesdienst nach einer Dimension der Vergebung
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