Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht Der Jaegerin

Die Nacht Der Jaegerin

Titel: Die Nacht Der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
all diesen Leuten wie die letzte Idiotin und habe zu erklären versucht, dass die Diözese dabei ist, einen richtigen Heilungsverbund zusammenzustellen.»
    «Stimmt das denn?»
    «Was weiß ich. Dann haben wir gebetet, aber niemand ist aus seinem Rollstuhl aufgestanden. Ich habe mich noch nie so unzulänglich gefühlt. Ich habe den weiblichen Pfarrern einen schlechten Dienst erwiesen, die Kirche enttäuscht, und die Leute, die mich womöglich als letzte Hoffnung angesehen haben, auch. Und nach dem Gottesdienst kam eine normalerweise sehr nette Frau zu mir und sagte, wie unangenehm es ihr wäre, dass sich lauter Leute von draußen in unserem stillen Sonntagsgottesdienst breitgemacht hätten. Was sagen Sie dazu?»
    «Tja, klingt nach einer ziemlich besch...eidenen Situation, Merrily. Tut mir leid für Sie. Aber was diesen Dexter Harris mit dem Asthma angeht ...»
    «Seine Tante putzt mittwochs die Kirche. Ich glaube, sie fühlt sich verantwortlich für ihn, weil ihn vermutlich kaum jemand übermäßig liebenswert findet. Aber was soll ich da machen? Ich kann bloß für ihn beten oder machen, was Jeavons sagt, und nach einer versteckten Ursache für Dexters Krankheit suchen.»
    «Tut mir leid, aber ich finde, der Typ hört sich nach einem armen Irren an.»
    «Aber was ist, wenn er recht hat? Was ist, wenn es funktioniert?»
    «Also gut», sagte Bliss. «Ich mache Folgendes: Ich lasse Dexters Vergangenheit von einem ehemaligen Kollegen überprüfen. Melvyn ist einer vom alten Schlag, unheimlich diskret, und außerdem hat er ein wahres Elefantengedächtnis.»
    Nach dem Telefonat mit Bliss überlegte Merrily, ob sie Sophie anrufen sollte, damit so schnell wie möglich ein Treffen der Geistlichen anberaumt werden konnte, die Interesse am Heilungsamt bekundet hatten. Mit Ausnahme derjenigen natürlich, die nichts mit spirituellen Grenzfragen oder Lew Jeavons oder Frauen zu tun haben wollten.
    Wie viele würden da noch übrig bleiben? Vermutlich niemand außer Merrily.
    In diesem Moment klingelte das Telefon erneut. Es war Jane, und im Hintergrund war das geduldige Motorenbrummen des Schulbusses zu hören.
    «Mom, hör mal, ich hab unheimlich wichtige Bücher für den Literaturunterricht in Stanner Hall vergessen. Also hab ich gedacht, ich fahre am besten mit Clancys Schulbus mit und hole sie. Ist das okay?»
    Stanner Hall. Innerhalb von ein paar Wochen hatte sich die Achse von Janes Leben komplett verschoben.
    Merrily runzelte die Stirn. «Und wie kommst du dann nach Hause?»
    «Ich habe Gomer angerufen. Er arbeitet irgendwo in New Radnor mit Danny an einer verstopften Sickergrube. Er könnte mich ungefähr um sieben abholen.»
    «Also
willst
du tatsächlich nochmal nach Hause kommen», sagte Merrily.
    «Meinst du das ernst?»
    Am Samstag hatte Jane, die es nicht leiden konnte, wenn zu Weihnachten Tannenbäume gefällt wurden, ein paar abgestorbene Äste gesammelt, die sie an diesem Abend gemeinsam mit Silber- und Goldspray hatten lackieren und in der Eingangshalle schön dekorieren wollen. Merrily vermutete, dass sie das jetzt alleine machen konnte.
    «Das weiß ich nicht genau, ehrlich gesagt.»
    Sie brauchte emotionale Sicherheit, jemanden, der nachts bei ihr war, wenn sich alles andere auflöste. Wenn Jane erwachsen wurde und auszog, wenn der Job, die Berufung die Grenze zum Irrationalen zu überschreiten drohte.
     
    An der Grenze war alles verschneit, nur die düsteren Kiefern hinter Stanner Hall ragten noch schwarz und grün auf wie finstere Wächter. Es hatte aufgehört zu schneien, aber tagsüber hatte es gefroren, sodass Stanner Hall mit seinen weißen Hexenhut-Türmen unter dem zarten Halbmond aussah wie ein Bild aus einem Wintermärchen.
    Das wäre eine schöne Aufnahme.
    Jane lehnte sich mit dem Rücken an einen der Torpfosten und hob mit beiden Händen die Videokamera.
Jaja, Irene, keine Aufnahmen aus der Hand.
Aber wenn sie jetzt erst ins Hotel ging, um das Stativ zu holen, wäre dieses wunderschöne Bild längst Geschichte.
    Jane richtete den Aufnahmewinkel aus und versuchte, möglichst ruhig zu atmen. In der Mittagspause hatte sie in der Schule noch einmal ihre Notizen durchgelesen und sich ins Gedächtnis gerufen, was Eirion ihr erklärt hatte.
    Hatte Conan Doyle wirklich dieses Gebäude vor Augen gehabt, als er über Baskerville Hall schrieb? Jane unterdrückte den Wunsch, einen der Hexenhut-Türme heranzuzoomen, und hielt die Kamera stattdessen ruhig auf das Gebäude gerichtet, bis sie mitbekam, dass

Weitere Kostenlose Bücher