Die Nacht der lebenden Trekkies
Banketten und Betriebsfesten hundertfünfzig Leute Platz hatten. Heute Abend zählte er höchstens fünfzig bis sechzig Köpfe. Die meisten klebten entweder an der Bar oder hatten sich in Grüppchen an den Tischen versammelt. Einige Anwesende trugen verschiedene Varianten von Raumflottenuniformen. Der Rest war in Leder oder Kunstleder gekleidet und schleppte Säbelimitate mit sich herum.
In einer Ecke veranstalteten mehrere Klingonen einen Kopfstoß-Wettbewerb, indem sie wie Bergziegen ihre Schädel aneinanderhauten. Drüben an der Bar hämmerte jemand eine monotone klingonische Oper in ein Synthesizer-Keyboard. Mehrere Gäste sangen das Libretto in einem kehligen, bewusst tief gehaltenen Bariton. Jims Kenntnisse der klingonischen Sprache waren zwar nur rudimentär, aber Worte wie »kämpfen«, »töten« und »Tod« verstand auch er.
Der Banketttisch war mit terranischen Entsprechungen klingonischer Leckereien beladen. Der Anblick und die Gerüche reichten von exotisch bis zu hundert Prozent abscheulich. Zu den eher genießbaren Artikeln gehörten Kradaschenkel (geräucherter Truthahn), Pipiusklauen (stinknormale Krabben) und Targherzen (lebhaft zuckende rote Sülze).
Zwei Männer in klingonischer Kleidung schoben sich ans Büfett heran. Einer grabschte sich einen Pseudokradaschenkel und biss genüsslich hinein.
»Wie schmeckt es denn?«, fragte Jim.
»Fade«, erwiderte der Klingone. »Da muss mehr Crapoksoße dran.«
Jim nahm sich etwas, von dem er hoffte, dass es ein normaler Cheeseburger war. Dann ging er an den großen runden Tisch, an dem Matt, Rayna, Gary und T’Poc schon speisten. Ihnen gegenüber saß ein Klingonenrudel.
Sobald Matt Jim sah, funkelte er ihn wütend an.
»Was ist das denn hier für ein Scheißladen, Alter?«, fragte er.
»Wie bitte?«, sagte Jim.
»Das ist ja das schlimmste Klingonenfest seit fünf Jahren. Schau dir mal all die leeren Stühle an. Hier kriegt man ja nicht mal ’nen Teller Gagh!«
Na, das ist aber komisch, dachte Jim. Sarah Cornell hatte doch so entschlossen gewirkt, die Gummiwürmer zu besorgen. Aber allem Anschein nach war sie noch nicht aus dem Großhandel zurück.
»Wir haben mit dreitausend Tagesgästen gerechnet«, sagte Jim.
»Dreitausend«, sagte Matt. »Ich werd nicht mehr!«
Jim schaute sich im Raum um. Diese Versammlung hatte wirklich keine Ähnlichkeit mit einem Fest. Soweit er es überschauen konnte, waren auch nur zwei unaufmerksame Bedienungen da. Bei einem Dinnerbankett in einem Raum dieser Größe hätten es sieben sein müssen.
»Vielleicht haben die alle die Con-Pest«, sagte Rayna. »Zu viele Menschen, zu viele Bakterien, zu viel Alkohol, zu wenig Schlaf. In San Diego hat es mich voriges Jahr sehr übel erwischt. Ich hab die letzten beiden Tage der Veranstaltung auf der Nase gelegen und gegen ein Virus gekämpft.«
»Vielleicht«, warf Gary ein und legte, der Dramatik wegen, eine kurze Pause ein, »sind die Zombies daran Schuld.«
»Was?«, sagten Rayna und T’Poc wie aus einem Munde.
»Jim hat es erwähnt«, sagte Gary. »Er glaubt, Houston ist von Zombies übernommen worden.«
»Das habe ich nicht gesagt«, griff Jim korrigierend ein. »Ich habe nur gesagt, ein Ausbruch von Morbus Zombicus könnte einige seltsame Dinge erklären, die ich heute beobachtet habe. Zwei meiner Kollegen wurden gebissen. Die Bullen sind wie verrückt beschäftigt. Irgendeine Psychopathin hat Garys Hemd mit Blut beschmiert. Heute ist kein normaler Tag.«
»Du weißt doch wohl, dass es keine Zombies gibt, hm?«, fragte Rayna.
»Auf meinem Kopf wachsen jedenfalls keine Fühler«, erwiderte Jim. »Wirf mir also nicht vor, ich hätte ’ne ausufernde Fantasie.«
Es war ein eher ungünstiger Moment, aber T’Poc mischte sich dennoch ein, um der Spannung die Schärfe zu nehmen.
»Bringt mir Hiiiiirne!«, jubelte sie. »Lieber habe ich Untote am Hals als eine Bande von Babylon 5 -Fans!«
Alle am Tisch anwesenden Wesen, die Klingonen eingeschlossen, bekundeten ihre herzliche Zustimmung.
»Heutzutage decken die meisten SF-Conventions ja fast jeden Scheiß ab«, sagte T’Poc zu Jim. »Aber dieser hier ist nur was für Trekkies!«
»Es gibt da was, das ich nie verstanden habe«, sagte Jim. »Gibt es wirklich einen Unterschied zwischen einem Trekker und einem Trekkie?«
Der ganze Tisch fing an zu diskutieren. Mehrere Anwesende wollten gleichzeitig antworten. Rayna übertönte sie alle.
»In dieser Angelegenheit hat jeder seine eigene Meinung«, sagte sie.
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