Die Nacht der lebenden Trekkies
Geschichte für mich, aber da wir wahrscheinlich vor Mitternacht lebendig gefressen werden, kann ich sie dir auch erzählen.«
»Das weiß ich zu schätzen«, sagte Jim.
Leia seufzte. Sie wiegte sich nervös auf den Stufen hin und her, dann fing sie an zu erzählen.
»Ich bin in der Nähe von Amarillo aufgewachsen. Ich war, bis ich elf wurde, ein ganz normales Kind. Dann beschloss mein Vater, meine Mutter und mich zu verlassen. Kennst du Springsteens Song Hungry Heart ?«
»In dem er singt: Ich fuhr mal kurz weg und kam nie mehr zurück … ?«
»Genau. Papa fuhr eines Tages zur Arbeit und kam am Abend nicht mehr nach Hause. Kannst du dir das vorstellen? Ich glaubte, er wäre tot. Ein paar Wochen später kriegten wir dann eine Postkarte aus San Diego. Er schrieb, er wäre fertig mit uns. Er hat es wörtlich geschrieben: Ich bin fertig mit euch. Wenn du willst, kann ich seinen ganzen Text aufsagen.«
»Warum ist er gegangen?«
»Ich war da noch ein Kind. Ich dachte, es wäre meine Schuld. Und als ich schließlich den Mut aufbrachte, meine Mutter zu fragen, erfuhr ich, dass ich Recht hatte.«
»Wie das?«
»Ich war gar nicht sein Kind. Mein biologischer Vater und meine Mutter hatten es einmal miteinander getrieben. Mein angeblicher Vater kam dahinter und ist abgehauen. Ich nehme an, er wollte keine angebliche Tochter haben. Was zu schade war, weil seine angebliche Tochter ihn wirklich gut leiden konnte. Ich glaube sogar, ich hab ihn geliebt.«
»Was hast du dann gemacht?«
»Was konnte ich schon tun? Ich hab’s halt ertragen. Mama hat ein anderes Arschloch geheiratet, und das hat sie misshandelt. Sie wollte den Kerl aber nicht verlassen. Also habe ich eines Abends, als wir beim Essen saßen, seine Hand mit einem Messer an die Tischplatte genagelt. Die Sanitäter mussten die Klinge aus dem Holz ziehen. Das hatte eigentlich recht positive Folgen. Man hat mich in ein Internat gesteckt, das dreihundert Kilometer weit entfernt war. Danach ging es auf die Ohio-Staatsuniversität, wo ich einen vormedizinischen Abschluss gemacht habe. Und so kam ich in einem Prinzessin-Leia-Kostüm zu dieser Convention hier.«
»Warte, Moment mal«, sagte Jim. »Ich glaube, ich habe irgendwas verpasst.«
»Wie schon gesagt, ich habe vormedizinisch graduiert. Die meisten meiner normalen Collegegebühren waren von Stipendien abgedeckt. Aber wenn ich wirklich Ärztin werden will, brauche ich eine seriöse Bank. Also habe ich mich im letzten Sommer auf die Anzeige eines Videospielunternehmens beworben. Es brauchte jemanden, der auf einer Convention in Shorts und Sport- BH auftreten und eine dicke Waffenattrappe tragen kann. An dem Tag habe ich meine Berufung erkannt. Nun mache ich so was an fast jedem Wochenende.«
»Und so bist du zur Science Fiction gestoßen?«
»Nein, die habe ich auf normale Weise entdeckt. Du weißt doch. Andere Welten sind besser als diese hier.«
»Ja, weiß ich.« Jim seufzte. »Ich hab mir früher immer Star Trek angeschaut und davon geträumt, auf der Enterprise zu sein – eine halbe Galaxis von Mama und unserer armseligen Existenz entfernt; sozusagen von fast allem.«
»So war’s bei mir auch«, sagte Leia. »Bloß habe ich darüber fantasiert, eine halbe Galaxis von meiner Mutter und meinem Stiefvater weg zu sein; von Leuten umgeben, die wirklich anständig und ehrenwert sind und die nicht nur so tun, als wären sie es. Von Menschen, auf die ich mich verlassen kann, wenn ich mal in der Klemme sitze.«
»Wir passen so gut zusammen, als hätte sich jemand im Himmel unsere Begegnung ausgedacht. Kein Wunder, dass du nicht allein im elften Stock bleiben wolltest. Du hast gedacht, ich lass dich hängen.«
Ein eigenartiger Ausdruck huschte über Leias Gesicht.
»Eigentlich nicht«, sagte sie. »Ich hab nie geglaubt, dass du mich hängenlässt. Ich dachte nur, dass meine Chancen bei dir besser sind als beim letzten überlebenden Angehörigen des Rothemden-Clubs von West-Texas.«
Ein gespenstisches Ächzen aus dem Gang unterbrach ihre Diskussion.
»Wenn es auch an der Tatsache nichts ändert, dass wir in diesem Treppenhaus festsitzen«, sagte Leia.
Jims Miene erhellte sich plötzlich.
»Wir sitzen überhaupt nicht fest«, sagte er. »Mir ist gerade eingefallen, was wir tun müssen.«
»Siehst du«, sagte Leia. »Ich wusste doch, dass du mich nicht hängenlässt.«
19
Move Along Home
Jim zog sein Walkie-Talkie heraus und schaltete es ein.
»Gary, hier ist Jim«, sagte er. »Melde dich.«
»Wo
Weitere Kostenlose Bücher