Die Nacht der Schakale
Servieren, die vorzügliche Weinberatung und die diskrete Annahme von Trinkgeldern betraf.
Steve, der mittelgroße, untersetzte Mann mit der Hakennase, kam nach etwa drei Minuten zurück. »Es geht los«, sagte er. »Wir müssen jetzt zaubern. Erwin Forbach ist soeben in Zürich nach München abgeflogen.«
»Und?«
»Er wird morgen auf der Transitstrecke wieder operieren«, erklärte Steve. »Unter deinen Augen.«
Wir schenkten dem Lokal die Crepe Suzette.
Fighter die mit vollem Magen in das Match ziehen, taugen nichts.
12
Die Bundeshauptstadt lag unter einer Dunstglocke. Das barometrische Tief war über Nacht nach Polen abgewandert. Am Morgen drangsalierte feuchtwarme Meeresluft die Stadt vor dem Siebengebirge. Bonn hatte sich wieder in ein Treibhaus verwandelt. Es brütet keine Orchideen aus, doch Gerüchte. Die Residenz setzte auf eine Entladung der Atmosphäre, die sie zugleich fürchtete.
Die Gerüchte kreisten um Berlin. Es war durchgesickert, daß wegen der Etat-Einsparungen durch die Koalitionsregierung, der man voreilig von Woche zu Woche den Schiffbruch prophezeit hatte, die Zuschüsse für die Flüge nach West-Berlin gekürzt werden sollten. Die in die Jahre gekommene Frontstadt würde es nicht widerspruchslos hinnehmen.
Außerdem wurde im Auswärtigen Amt kolportiert, daß es am gestrigen Sonntag zu einem Zusammenstoß zwischen dem Minister und dem Quais-Botschafter in Ost-Berlin gekommen sei. Während man noch über den Grund der Auseinandersetzung rätselte, sprach sich herum, daß Martin Keil bereits im Flugzeug sich dem Regierungssitz näherte, drohend wie ein Gewitter; er hatte noch einen Platz in der ersten Linienmaschine erhalten und während des Fluges Zeitungen gelesen, deren Schlagzeilen er vielleicht morgen bestimmen würde. Über dem Papierrand hinweg registrierte er sorgfältig Mitreisende, die ihn erkannten; die kleinere Hälfte, kein schlechter Schnitt.
Er war nicht mehr verstört, sondern zornig. Es erschien ihm ungeheuerlich, daß das Außenministerium bisher verbindliche Richtlinien einfach geändert hatte, ohne ihn zu befragen. Martin Keil hatte rote Tupfen in seinem sonst blassen Gesicht; er munitionierte sich mit Argumenten, auf Aggression – auch nach oben – eingestellt und seiner sicher, daß er diesmal nicht umfallen würde.
In Berlin war die Luft besser als am Rhein – Schönwetter hatte die Regenperiode endlich abgelöst –, aber die Spannung womöglich noch größer als in Bonn. Wie jeden Werktag waren die Kinder der Botschaftsangehörigen unterwegs. Zwanzig Minuten vor acht passierte ihr Schulbus unkontrolliert den internationalen Checkpoint Charlie an der Mauer. Als kurze Zeit später der Sicherheitsbeauftragte Schimansky, der Martin Keil bis zur Rückkehr aus Bonn vertreten würde, bei seiner Dienststelle auftauchte, leerten die Ost-Berliner Putzfrauen noch die Papierkörbe aus.
Dr. Lamm kam als nächster, zu Fuß; er erreichte noch vor Beginn der regulären Dienstzeit das weiße Gebäude, höflich gegrüßt von den beiden Vopos am Eingang – die sowohl die Botschaft vor den DDR-Bürgern wie die DDR-Bürger vor der Botschaft abzuschirmen hatte. Sie standen vor allen diplomatischen Vertretungen, auch vor den östlichen, selbst vor den chinesischen, die übrigens in ihren grellroten Schaukästen ›vor den Reaktionären in Moskau und Ost-Berlin‹ warnten.
Schimansky saß in sehr vorläufiger Haltung am mächtigen Schreibtisch des Hausherrn. Er stand auf, tigerte unruhig durch den Raum mit dem braunen Velourteppich und der Palisanderverkleidung. Er hatte das unsichere Gefühl eines Mannes, dem der Anzug zu groß ist, in dem er steckt.
Cynthia lieferte ihren Wochenbericht ab. Die Legationsrätin sah ein unglückliches Gesicht. »Fühlen Sie sich nicht wohl, Herr Schimansky?« fragte sei scheinheilig besorgt.
»Auch Luzifer saß vor dem Fall auf dem Thron des Herrn«, erwiderte der Sicherheitsbeauftragte.
»Die Frage ist auch, warum der Herr abwesend ist«, intrigierte Cynthia ein bißchen gegen den Missionschef.
»Das kann ich Ihnen genau sagen«, entgegnete Schimansky grimmig. »Wenn etwas passiert in dieser elenden Asyl-Geschichte, wird unser allseits verehrter Hausherr durch Abwesenheit glänzen – und wir können das allein ausbaden.«
»Sie haben vielleicht 'ne Meinung von unserer Exzellenz.«
»Sie nicht?« ging Schimansky aus der Deckung.
Die Legationsrätin lächelte und nickte ihm zu. Der amtierende Stellvertreter pfiff einen Moment lang
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