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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Schwerenöter«, alberte sie. »Wie heißt du eigentlich?«
    »Heinrich«, erwiderte ich. »Genannt Henry.«
    Ich bestellte ein Taxi; bis es eintraf, konnten wir die Zweisamkeit proben, ohne sie zu vollziehen. Es ist immer ein Abenteuer, mit einer unbekannten Frau Tage und Nächte in Hautnähe zu verbringen, aber ich war auf die Vorgänge um den Fall Sperber fixiert und irgendwie noch immer von Vanessa alias Madge verhext. Es schien, als hätte sie mich gegen andere Frauen immunisiert; aber wie man weiß, läßt jede Schutzimpfung mit der Zeit nach.
    Ich nutzte die Zeit bis zu Steves Eintreffen, um mir die Beine im Englischen Garten zu vertreten. Es waren nur ein paar Schritte von der Hotelpension am Biederstein bis dorthin. Der schöne, warme Sommertag wirkte wie eine Wiedergutmachung für die Regenwoche. Die Sonne hatte die Großstädter in glückliche Freizeitgestalter verwandelt. Pärchen zogen an mir vorbei und schworen einander Liebe, die vielleicht bis zur nächsten Regenperiode – oder auch länger – anhalten würde.
    Die Polizei hatte den Kampf gegen die Sonnenanbeter verloren. Sie lagen ohne Feigenblatt kreuz und quer auf der Wiese, und die Ordnungshüter konnten sich allenfalls damit trösten, daß nicht selten die Häßlichsten am nacktesten waren. Neue Heerscharen zogen ins Grüne, und grün wurden sich an einem solchen Abend auch wieder Alte und Zerstrittene, deren Gefühle die Gewohnheit zerschlissen hatte.
    Ich sah zu, wie am Kleinhesseloher See alte Frauen mit mütterlichen Gesichtern Schwäne und Enten mit Brotkrumen fütterten. Die Tierliebe der Münchener ist sprichwörtlich, und ich wunderte mich immer wieder, wie eine Stadt, die ihre Hunde so verhätschelt, auch das Schweinerne so genießen konnte. Aber ein Schwein ist eben kein Hund, schon eher ein Mensch, denn symbolisch steht es ihm von allen Lebewesen am nächsten.
    Ich beneidete die Müßiggänger, weil sie einander mochten und zulächelten und nicht aus der Branche stammten, die Mißtrauen verdiente und verarbeitete. Die Feierabendgesellschaft lärmte in Biergärten oder in den Straßencafes, die so voll waren wie ihre Herzen. Ein bißchen Schönwetter und 250 Kilometer Entfernung vom östlichen Machtbetrieb – und die Welt war in Ordnung.
    Da sie aber nicht in Ordnung war, sah ich auf die Uhr. Ich mußte zurückgehen, um vor meinem Hotel auf- und ab gehend Steve Cassidy zu erwarten.
    Er kam in einem betagten Mercedes, den er selbst lenkte. Ich schlüpfte in den Wagen mit der Münchener Zulassungsnummer, und Steve rollte sofort los.
    »Gut; daß du dich für deine Partnerin so schnell entschieden hast, Lefty«, begrüßte er mich. »Es sieht so aus, als ginge unser Freund Forbach schon bald wieder auf die brisante Reise. Nun zu deinen Fragen: Der Mann hat bisher – allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Fluchthelfern – achtundvierzig DDR-Bürger in den Westen geschafft. Sie alle waren bereits in Notaufnahmelagern gründlich überprüft worden. Auf meinen Wunsch hin hat man sich die Clearing-Resultate noch einmal angesehen und auch den Verfassungsschutz beigezogen. Nicht der geringste Anlaß für ein Doppelspiel. Deutsche, aber auch amerikanische Verwandte hatten die TRASCO um Hilfe gebeten und meistens einen Vorschuß von 30.000 Mark bezahlt. Von den Ost-Flüchtlingen sind im Westen nur zwei in eine Stellung gelangt, die für die Stasi-Leute halbwegs interessant sein könnte.« Seine Darstellung war komprimitiert und konzentriert wie immer: »Zwei Versuche sind gescheitert. Ohne Folgen für die Beteiligten. Forbach selbst kassiert für jeden Mann, den er nach Westen schafft, 10.000 Mark von Dressler. Zwei Eigenschaften sind bei ihm offensichtlich: Er haßt den Osten und er liebt das Westgeld.«
    »Und was macht er damit?« fragte ich. »Steckt er es in den Sparstrumpf?«
    »Auch schon überprüft«, erwiderte Steve, der Verläßliche. »Forbach sammelt Wertpapiere wie Grundstücke. Es ist die schiere Manie. Er ist schon ziemlich wohlhabend, aber wie du weißt, schafft Gier Besitz, und Besitz macht gierig. Wir haben auch untersucht, ob er nicht erpreßt wird«, setzte Steve hinzu. »Es ist nicht der Fall, und es ist uns auch nichts bekannt, was ihn erpreßbar machen könnte.«
    »Welch ein Edelmensch«, entgegnete ich. »Ein bißchen Raffke, aber sonst ganz in Ordnung.« Ich versuchte sachlich zu bleiben, doch ich schaffte es nicht ganz. »Diese mustergültige Auskunft über Forbach erklärt noch lange nicht, warum er für

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