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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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auf den Fall Ypsilon, sah nur diese junge Frau im raffiniert einfach geschnittenen Kostüm, das ihr Figur kaschierte, ohne sie zu verhüllen. Es war ein Flirt ohne Sinn, Genuß ohne Reue.
    Er sah in ihre Augen und überlegte, ob sie violett schillerten oder kobaltblau, und sagte sich, daß es wohl von der Beleuchtung abhinge. Es machte keinen Unterschied, für ihn leuchteten diese Augen ohnedies nicht. Er wußte nicht einmal, ob sie überhaupt für einen bestimmten Mann glänzten. Bevor sich Schimansky in farblichen Schwelgereien ergehen konnte, hatte sich Cynthia Pahl wieder in ihr Büro zurückgezogen.
    Der Außenminister war bereits auf dem Weg nach Nahost, aber der Staatssekretär bereit, mit dem Missions-Chef aus Ost-Berlin sofort zu sprechen. Er empfing ihn mit überraschter Freundlichkeit und hörte sich geduldig seine Vorwürfe an.
    »Nein, nein, mein lieber Keil«, erwiderte er. »Da müssen Sie uns aber gründlich mißverstanden haben.«
    »Keineswegs«, entgegnete der Aufsässige hartnäckig. »Ich habe mich zweimal vergewissert.«
    »Na ja«, schränkte der Staatssekretär ein, »wir sind alle überarbeitet. Da kommt es eben mitunter zu Mißverständnissen. Außerdem wird ja wohl keine Suppe so heiß gegessen wie gekocht.«
    »Vor allem wird sie nicht ausgelöffelt«, versetzt der Hausherr der Hannoverschen Straße. »Auf keinen Fall von mir oder meinen Mitarbeitern.«
    Der Staatssekretär verabredete sich mit seinem Berliner Gast zum Mittagessen. Er ließ sich jedenfalls nicht anmerken, daß er zu den Leuten gehörte, die Keil, seiner Querelen müde, nach Ost-Berlin weggelobt hatten. »Ich möchte auch noch darauf aufmerksam machen, daß der Regierungssprecher heute in der Bundespressekonferenz mit Nachdruck erklären wird, daß Bonn voll und ganz hinter der seitherigen Ost-Politik steht«, beruhigte er ihn zusätzlich.
    Während man in Bonn den lästigen Besucher bei Laune hielt, wuchs an seinem Ost-Berliner Amtssitz die Unsicherheit seiner Mitarbeiter. Daß Ressortleiter Wolf jetzt auch im Haus war, verriet seine Gewohnheit, das Radio zu laut spielen zu lassen. Er war ein wenig schwerhörig, und die anderen wunderten sich längst über die Dauerberieselung, zumal er meistens Radio DDR eingeschaltet hatte. Der kleine, sonst so unterwürfige Beamte hörte Ost-Nachrichten und schüttelte den Kopf. »Funktionärssprache, Partei-Welsch, Mittelhochsächsisch«, schimpfte er sich bei seiner Sekretärin aus. »Seit dem Einmarsch der Sowjets herrscht Ordnung«, setzte er hämisch hinzu, »aber die deutsche Sprache wird immer noch vergewaltigt.«
    Die Mitarbeiterin lachte, und Wolf stimmte ein, bis es ihm bei der nächsten Meldung verging.
    »Bautzen«, sagte der Sprecher.
    »Einem der übelsten westdeutschen Kopfjäger, Gregor Stein, ist heute auf ungeklärte Weise bei Außenarbeiten die Flucht aus der Strafanstalt Bautzen geglückt, wo er eine fünfzehnjährige Zuchthausstrafe zu verbüßen hat. Die sofort alarmierten Organe der Volkspolizei haben eine Großfahndung eingeleitet und auf das gesamte DDR-Gebiet ausgedehnt.«
    Dr. Wolf stürmte in das Dienstzimmer des Hausherrn. »Haben Sie die Nachrichten gehört, Herr Schimansky?« fragte er den Stellvertreter noch im Laufen. Der Sicherheitsbeauftragte verneinte, und Wolf gab die Meldung im Telegrammstil wieder. »Ihnen ist doch klar, was das bedeutet«, setzte er hinzu.
    »Nicht so klar wie Ihnen«, dämpfte der Mann, der hinter seinem Rücken Schimpansky genannt wurde.
    »Gestern wurden unsere Anweisungen zum Fall Ypsilon geändert, und heute bricht genau der Richtige – ein Flüchtling nach Maß – in Bautzen aus.«
    »Es sind schon mehrere ausgebrochen«, beruhigt ihn Schimansky. »Aber bisher ist noch keiner bis hierher gekommen. Außerdem – woher sollen die Stasi-Leute das wissen, wo wir selbst noch keine rechte Ahnung haben, was Bonn eigentlich bezweckt.«
    »Eben, das ist es ja gerade«, entgegnete Wolf hartnäckig. »Die haben es erfahren, und die handeln jetzt danach: Sie treiben den Mann nach Berlin«, fuhr Wolf, noch immer außer Atem, fort, »direkt auf die Hannoversche Straße zu. Irgendein Fotograf schießt, wie er mit der Bitte um Asyl an den Posten vorbei ins Haus stürmt. Können Sie sich vorstellen, was die Springer-Presse morgen schreiben wird?«
    »Langsam, Wolf, langsam«, erwiderte Schimansky. »Das ist doch wohl eine ziemlich abenteuerliche Vermutung.«
    »Seit wann gibt denn die DDR solcherlei Gefängnisausbrüche bekannt, und

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