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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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veranlasst.«
    »Wie interessant Neuigkeiten von gestern sein können«, entgegnete ich.
    »Hör auf zu schmollen, Lefty«, sagte Steve. »Wir hatten im Fall Sperber von Anfang an zwei Beine. Das eine war die TRASCO über dich, und das hat ja bereits bestens geklappt …«
    »Und das andere die schicke Diplomatin.«
    »Ja«, bestätigte er. »Lupus hält sie nunmehr für enttarnt und will sie morgen um vier Uhr nachmittags in einer Pressekonferenz als Überläuferin ganz groß in Szene setzen. Du kannst dir vorstellen, wie sie zur Stunde auf Schritt und Tritt bewacht wird.«
    »Schöne Bescherung«, erwiderte ich. »Und nun soll ich die Dame herüberschaffen.« Ich wartete seine Antwort nicht ab. »Meinst du nicht, daß es die Aufgabe der Leute wäre, die sie drüben etabliert haben?«
    »Das wäre vermutlich nicht in deinem Sinne«, orakelte er.
    »Manchmal«, griff ich ihn an, »geht ein Schuß auch nach hinten los.«
    »Manchmal schon«, erklärte Steve und setzte beinahe beiläufig hinzu: »Aber Cynthia ist soeben überraschend auf den Sperber gestoßen, und zwar auf den richtigen. Wir müssen sehen, wie wir die beiden durch die Mauer bekommen, und das bis spätestens morgen sechzehn Uhr.«
    »Nichts leichter als das«, alberte ich. »Warum fragst du nicht, ob ich das übernehmen will?«
    »Deine Entscheidung«, entgegnete er. »Ich kann dir das nicht befehlen.«
    »Das brauchst du auch gar nicht«, erwiderte ich. »Schließlich bin ich ja euer nützlicher Idiot.« Ich spürte wilden Zorn, nicht auf Steve, sondern auf Gregory, der mich wieder einmal aus dem Hintergrund über seine verdammte Straße schob. »Als was eigentlich?« fragte ich. »Als Heinrich Schmidt, als Brian Singer oder …«
    »Die beiden kannst du vergessen«, antwortete Steve und zog die Schreibtischschublade auf. »Du erhältst die beste Identifikation, die ich mir für dich vorstellen kann.«
    Er überreichte mir einen Diplomatenpass, sauber und brandneu.
    Ich schlug ihn auf, fand – wie erwartet – mein Foto und, wie wirklich nicht erwartet, meinen richtigen Namen:
    NORMAN MEILER,
    ATTACHE DER US-BOTSCHAFT IN MEHLEN BEI BONN.
    »Das Agreement hat die Bundesregierung bereits erteilt«, sagte er lachend. »Du trittst deinen Dienst nur ein paar Wochen früher an.« Er lächelte perfide. »Das ist doch ganz in deinem Sinn.«
    Sie hatten wirklich an alles gedacht.
    Sie mußten schon lange an dieser Transaktion gedreht haben.
    »Seit wann sitzt ihr eigentlich an dieser Sache?« fragte ich.
    »Schon seit einem Jahr«, erklärte Steve. »Es tut mir leid, daß es jetzt so plötzlich geht. Unter Umständen mußt du aus Zeitmangel mit der Brechstange arbeiten.«
    »Und wie willst du mich einschleusen?«
    »Völlig legal«, erwiderte er. »Du erhältst einen Chauffeur.« Er riß die Tür auf und winkte den Semmelblonden herein. »George ist so nett, dich mitzunehmen und unterwegs gleich einzuweisen. Ihr seid ja alte und neue Kollegen.«
    »Du bringst mich tatsächlich um meine Golfrunde, alter Junge«, tönte George, und wir grinsten alle drei.
    Ich mußte noch einige Adressen und etliche Telefonnummern auswendig lernen. »Wenn das einer schafft, bist du es«, sagte Steve beim Abschied.
    »Vertrauen ehrt«, sagte ich.
    »Wiedersehen, Lefty.«
    »Hoffentlich«, brummelte ich.
    Dann fuhren wir los. »Das wird also meine dritte Durchnacht«, stellte ich fest.
    »Sieht so aus«, versetzte George. »Aber auf dem Friedhof hast du ein Leben lang Zeit, dich auszuruhen.«
    Sein schwarzer Humor kotzte mich an. »Einstweilen sind wir noch nicht soweit.«
    »Eben«, erwiderte er. »Wir erreichen gleich den Checkpoint Charlie. Normalerweise gibt es kein Theater. Diese DDR-Fritzen dürfen uns zu ihrem größten Bedauern nicht kontrollieren und nicht filzen, weil wir zu den Siegermächten des zweiten Weltkrieges gehören und sie nur am Arsch der östlichen Sieger hängen. Wir haben also nur mit ihrer Schutzmacht zu tun, und die muß man eben daran erinnern, daß sie mal unsere Waffenbrüder waren.«
    Wir fuhren am DDR-Posten vorbei auf einen russischen Leutnant zu. Er kannte George, und gab mir meinen Diplomatenpass ungeöffnet zurück.
    Er grüßte militärisch stramm, und wir waren durch. So einfach ist das – von West nach Ost.
    George ließ den Zynismus fahren. Er liebte es, in seiner Selbstdarstellung halb als Angeber, halb als Selbstmörder aufzutreten, aber er war ein harter, verlässlicher Bursche, der seit Vietnam nur noch Vietnam fürchtete.
    »Wir

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